Was passiert, wenn Russland pleite geht? Staatsanleihen wurden als «Ramsch» eingestuft
Geht Russland bankrott? «Diese Frage kann nur Wladimir Putin zuverlässig beantworten», sagt Raiffeisen-Ökonom Alexander Koch und deutet an, dass es dabei zunächst um eine rein politische Entscheidung geht. In der Tat: Mit einer stattlichen Verschuldungsquote von rund 30 Prozent im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt und einer Devisenreserve der russischen Zentralbank in Höhe von rund 600 Milliarden Dollar war Russland mindestens zum Zeitpunkt vor Kriegsbeginn alles andere als ein Pleitekandidat.
Anleihen auf «Ramschniveau» heruntergestuft
Trotzdem haben die Kreditanalysten internationaler Rating-Agenturen wie Fitch oder S&P die im internationalen Kapitalmarkt gehandelten russischen Staatsanleihen diese Woche auf Ramschniveau heruntergestuft. Die Chancen, dass die Gläubiger die fälligen Zinszahlungen vertragskonform und pünktlich erhalten sind, demgemäss nur noch sehr gering.
Der Grund liegt auf der Hand. Russland wird seit der Invasion in die Ukraine von allen westlichen Ländern mit schärfsten Sanktionen belegt. Wenig überraschend hatte Russland am Montag angedeutet, dass die Sanktionen die Bedienung der Auslandschulden beeinträchtigen könnten. Die Vermutung liegt auf der Hand, dass in dieser Ankündigung auch eine politische Drohung mitschwingt.
Wenn Russland nicht mehr zahlt, könnten sich westliche Gläubiger gezwungen sehen, ihre russischen Staatsanleihen abzuschreiben. Der Bestand an Anleihen in ausländischen Währungen beläuft sich auf rund 40 Milliarden Dollar. Hinzukommen Rubel-Anleihen im aktuellen Wert von umgerechnet rund 120 Milliarden Dollar. Wo die meisten Anleihen genau liegen, wisse niemand so genau, sagt Ökonom Koch. Es sind nicht primär wie damals in der Schuldenkrise griechische, deutsche oder französische Banken, die solche Papiere halten.
Breite Streuung wahrscheinlich
Eine auf dem Finanzdatenportal verfügbare Liste der grössten westlichen Russland-Gläubiger suggeriert gemäss Koch, dass die Risiken relativ breit gestreut sind. Zu den Investoren gehören offenbar viele Schwellenländer-Fonds die auch Titel anderer Länder halten. Die UBS hat ihre eigene, direkte Gesamtrisikoexposition gegenüber Russland kürzlich mit 634 Millionen Dollar beziffert. Das ist ein tiefer Wert verglichen mit dem gesamten direkten Schwellenländer-Exposition der Grossbank in Höhe von über 20 Milliarden Dollar.
Bei der Credit Suisse beläuft sich das gesamte Nettokreditengagement gegenüber Russland auf 848 Millionen Franken, wie die Bank am Donnerstag mitteilte. Auch dieser Betrag erscheint im Vergleich zur Grosse der Bank relativ gut verkraftbar.
Raiffeisen Bank International aus Österreich ist am stärksten exponiert
Deutlich stärker exponiert sind italienische und französische Banken, wie sich aus den öffentlichen Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel herauslesen lässt (vgl. Grafik).
Unicredit, die zweitgrösste Bank Italiens geht im schlimmsten Szenario davon aus, 7,4 Milliarden Euro zu verlieren, was der Bank gemäss ihren eigenen Angaben aber immer noch erlauben sollte, eine Dividende zu zahlen.
Bei der französischen Société Générale besteht das Russland-Risiko in Höhe von 18,6 Milliarden Euro primär aus der Position der lokalen Rosbank, die dem französischen Finanzinstitut gehört.
Ähnlich stellt sich die Situation für die österreichische Raiffeisen Bank International dar, die in Russland 23 Milliarden Euro im Feuer hat, davon aber ebenfalls fast alles lokal und mehrheitlich in Rubeln. Inwieweit die Russland-Risiken für die österreichische Mutterorganisation zum Problem werden könnten, ist nicht ganz klar. Die Bank hat vorsorglich die geplante Dividendenzahlung sistiert.
Wenn Russland Dollar-Zinsen in Rubel zahlt, wird’s kompliziert
Unklar bleibt vorerst auch, ob die Rating-Agenturen im Fall von ausbleibenden Zinszahlungen die russische Insolvenz überhaupt offiziell feststellen wollen. Offenbar hat Russland informell schon angedeutet, dass man den Schuldendienst in Dollar oder Euro künftig auch in Rubel leisten könnte. Das ist natürlich nicht das, was die Gläubiger wollen aber ein solches Angebot könnte die Feststellung der Insolvenz verkomplizieren.
In der aktuell diffusen Situation ist eines klar: Griechenland war für das europäische Finanzsystem ein viel grösseres Risiko. 2009 war Griechenland im Ausland mit umgerechnet rund 200 Milliarden Dollar verschuldet. Davon lagen fast zwei Fünftel bei französischen und ein Fünftel bei Deutschen Banken.
Die Finanzierungshilfen für den griechischen Staat dienten anfänglich nicht zuletzt dem Ziel, den Banken in Deutschland und Frankreich einen möglichst schmerzarmen Ausstieg zu erlauben. Dieses Problem ist in Russland nicht gegeben. Allerdings schafft der Krieg eine Vielzahl anderer ökonomischer Risiken, die letztlich auch auf die hiesigen Banken zurückfallen könnten. Kein Wunder notieren die europäischen Bankaktien im Mittel rund 20 Prozent unter den Kursen von Anfang Jahr.