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Ungewöhnliche Einblicke ins Oftringer «Vogelspital»

Ein Team aus Freiwilligen kümmert sich in der Vogelpflegestation Oftringen jährlich um rund 300 Pfleglinge.

Es ist schön hier: Blick aufs Dorf von leicht erhöhter Lage aus, der Waldrand in Sichtweite, wunderbar ruhig. Hier oben, gleich beim Loohof, befindet sich die Vogelpflegestation Oftringen. Beim Eintritt in das ehemalige Schützenhaus erwartet den Besucher ein vielstimmiges Vogelkonzert. 13 Pfleglinge werden im Triageraum momentan betreut, darunter auch eher seltene Arten wie der Kirschkernbeisser oder eine Singdrossel.

Am lautesten bemerkbar machen sich sieben junge Spatzen, die ihre Schnäbel weit aufsperren. «Sie sind aus dem Nest gefallen», erläutert Susi Stocker. Seit mittlerweile zehn Jahren ist die 64-jährige Oftringerin zusammen mit Urs Meyer und Roland Zimmerli hauptverantwortlich für den Betrieb der Vogelpflegestation des Natur- und Vogelschutzvereins Oftringen.

Von Anfang an ein Bedürfnis

Im Mai 2012 nahm die Vogelpflegestation am jetzigen Standort ihren Betrieb auf. «Dass die Station eine relativ junge Erscheinung ist, hängt damit zusammen, dass es im Dorf früher Vogelfreunde gab, die verletzte Vögel bei sich aufnahmen und pflegten», weiss Susi Stocker. Damit bestand viele Jahre gar kein Bedürfnis nach einer offiziellen Einrichtung, wie es die Vogelpflegestation heute ist. «Die Initiative für eine Vogelpflegestation auf Oftringer Boden ging von Roland Zimmerli und Urs Meyer vom Natur- und Vogelschutzverein aus», führt Susi Stocker weiter aus.

Susi Stocker und Urs Meyer sind zusammen mit Roland Zimmerli (ferienhalber nicht auf dem Bild) hauptverantwortlich für die Vogelpflegestation Oftringen.
Bild: Thomas Fürst

Zimmerli war damals Präsident des Vereins, Meyer ist es heute. Vorausgegangen war ein enger Informationsaustausch mit der Vogelpflegestation Sempach, die der dortigen Vogelwarte angegliedert ist. Als die beiden Initianten an der Generalversammlung über das Projekt informierten, suchten sie unter den Mitgliedern nach weiteren Helfern. «Weil sich niemand meldete, habe ich mich damals ohne grosse Begeisterung zum Mitmachen entschlossen», erinnert sich Susi Stocker, «aber dann hat es mir richtiggehend den ‹Ärmel› reingenommen.» Seit der Gründung vor zehn Jahren trägt das gut ausgebildete Trio die Hauptverantwortung für den Betrieb der Oftringer Vogelpflegestation. Und musste dabei von Beginn an tatkräftig zupacken. In der ersten Saison wurden bereits 140 Vögel gepflegt. In der Folge stiegen die Zahlen kontinuierlich an und pendelten sich bei rund 300 Pfleglingen und 40 bis 45 verschiedenen Arten pro Jahr ein, für die rund 1300 Pflegetage aufgewendet werden.

Das bedeutet, besonders in den Monaten Mai bis September, wenn die Jungvögel schlüpfen, ziemlich viel Aufwand. Ein Aufwand, der nur mit einem grossen Helferteam bewältigt werden kann, denn alle zwei Stunden muss jemand in der Station anwesend sein. «Momentan haben wir ein tolles Team von 14 engagierten Leuten beisammen, das sich mit viel Herzblut um die verletzten Vögel kümmert», betont Urs Meyer. Helferinnen und Helfer, die sich vorwiegend im Alter zwischen 50 und 70 Jahren befinden. Auch wenn es noch zwei jüngere Mitglieder im Helferteam gibt – diese gehören der Alterskategorie zwischen 20 und 30 Jahren an – so ist für Susi Stocker wie auch Urs Meyer klar: Es wird in Zukunft vermehrt jüngere Helferinnen und Helfer brauchen, damit die Vogelpflegestation in eine gesicherte Zukunft geführt werden kann. «Und wenn sich noch eine jüngere Person finden liesse, welche sich im Leitungsteam engagieren möchte, wäre das ganz toll», fügt Susi Stocker an.

Der Betrieb der Vogelpflegestation Oftringen ist nicht nur personell aufwendig, auch finanziell fallen beachtliche Ausgaben an. «Wir sind in der glücklichen Lage, dass sich der Betrieb selber finanziert», betont Urs Meyer. Dank Spenden können die Mietkosten beglichen werden. Und die Unterstützung von BirdLife Aargau – 1.50 Franken pro Vogel und Tag – finanziert der Oftringer Station die Auslagen für das Futter.

Futter für zwei junge Schleiereulen zum Beispiel, die im letzten Jahr der Oftringer Station übergeben wurden. «Es waren richtige Wollknäuel», erinnert sich Susi Stocker, vielleicht zwei Wochen jung und 250 und 270 Gramm schwer. In 27 Tagen haben die beiden Eulen in Oftringen insgesamt 160 Mäuse vertilgt. Mit Happy End! Die beiden putzigen Kerle wurden bei bester Gesundheit wieder in der Scheune in Schöftland ausgewildert.

Urs Meyer ist es wichtig, zu betonen, dass sich sämtliche Mitglieder des Leiter- wie auch des Helferteams unentgeltlich engagieren. Dankbar für die ebenso unentgeltliche Unterstützung ist Urs Meyer  der Tierklinik Dr. Bolliger/Mittelland Tierklinik. «Mit verletzten Tieren können wir jederzeit in die Klinik – Röntgen und Beratung erhalten wir dort gratis.» 

Ein Happy End ist nicht die Regel

Auch wenn sich alle Helfer unentgeltlich engagieren, einen lohnenden Gegenwert für ihre Arbeit erhalten sie dennoch. «Unseren Lohn erhalten wir, wenn wir eine Brut aufziehen oder einen gesund gepflegten Vogel in die Freiheit entlassen können», sagt Susi Stocker. Doch ein Happy End ist bei weitem nicht bei jedem Pflegefall garantiert. «Besonders Scheiben- und Katzenopfer haben schlechte Überlebenschancen», weiss Urs Meyer. Und es gelte auch zu bedenken: «Wenn Vögel aus einem natürlichen Kreislauf entnommen werden, so sinken deren Überlebenschancen automatisch.» Was eine Vogelmutter ihren Jungen bieten könne, könne auch die beste Vogelpflegestation nicht bieten.

Tag der offenen Tür

Interessierten bietet sich am Sonntag, 26. Juni, 10 bis 16 Uhr, die Möglichkeit, hinter die Kulissen einer Vogelpflegestation zu blicken. Ein Einblick, der üblicherweise nicht möglich ist. «Wir wollen die erweiterte Station – mit dem neuen Triageraum – zeigen und erklären Besucherinnen und Besuchern, was genau abläuft, wenn Vögel zu uns gebracht werden», erklärt Urs Meyer. Neue Helferinnen und Helfer sind willkommen. Dazu besteht auch die Möglichkeit, sich über Mittag zu verpflegen. Bitte die Parkplätze beim Dorfschulhaus benutzen. (tf)

So gibt es immer wieder – und dies etwa in der Hälfte aller Fälle – traurige Enden. «Auch wenn man manchmal nicht weiss, warum – auch das Sterben gehört zur Natur», betont Urs Meyer. Umgekehrt sei auch zu bedenken, dass rund die Hälfte aller Pfleglinge in die Freiheit entlassen werden könnten. Und gelegentlich gibt es in der Vogelpflegestation auch Situationen, die zum Schmunzeln verleiten würden. So seien ihm am Telefon etwa schon zwei Rotmilane angekündigt worden, die sich beim Auspacken dann als niedliche Distelfinken entpuppten.

Der nächste Anlass des Natur- und Vogelschutzvereins Oftringen findet am Samstag, 18. Juni statt. Bei einem Rundgang durchs Dorf lässt sich vieles erfahren: Was blüht am Wegrand – welche Vögel sind zu sehen? Besammlung ist um 19 Uhr beim Schulhaus Dorf.