«Ungezwungener Treffpunkt»: Spittelhof will Erwachsene direkter ansprechen
Anstehen vor dem Wöschhüsli. Um 14 Uhr startet das Kerzenziehen im Spittelhof. Eine lange Schlange von Leuten hat sich vom Eingang des Spittelhofs bis zum ehemaligen Wöschhüsli gebildet. Sie alle – häufig Kinder, die von einem Elternteil begleitet werden – warten darauf, dass ihnen jemand vom Spittelhof-Team einen Docht schneidet, damit sie ihre eigene Kerze ziehen können. Seraina Combertaldi, die an diesem Nachmittag das Kerzenziehen betreut, lässt sich vom Grossandrang nicht aus der Ruhe bringen. «Wie gross soll deine Kerze werden?», fragt sie ein ums andere Mal und schneidet dann den passenden Docht in der entsprechenden Länge ab. Kaum haben alle ihren Docht erhalten, warten bereits die nächsten Aufgaben auf sie. Die ersten Kerzen müssen am Fuss auf Dochtlänge zurückgeschnitten werden. Eine Pause wird sich Seraina Combertaldi, die seit 2017 zum Spittelhof-Team gehört und seit Mitte 2020 die Zofinger Freizeitanlage leitet, heute den ganzen Nachmittag kaum gönnen können.
Kerzenziehen bringt Team an Kapazitätsgrenze
Das Kerzenziehen, das im Spittelhof seit vielen Jahren zur Adventszeit gehört wie der Tannenbaum zu Weihnachten, ist beliebt. So beliebt, dass das Team langsam, aber sicher an seine Kapazitätsgrenzen gelange, sagt die Spittelhof-Leiterin. Doch trotz grossem Andrang: Die Stimmung um die 14 Töpfe mit verschiedenfarbigem Wachs ist angenehm, ruhig und entspannt, das Verhalten rücksichtsvoll – es gibt kaum Drängler.
Das Kerzenziehen, das so viele Leute anzieht, ist ein gutes Abbild dafür, wie der Spittelhof in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. «Wir werden in der Öffentlichkeit in erster Linie als Freizeitwerkstätte für Kinder angesehen», sagt Seraina Combertaldi, «dabei haben wir doch auch ein gutes Angebot für Erwachsene.»
Diese etwas einseitige Aussenwahrnehmung sei vielleicht mit ein Grund, dass viele Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger den Spittelhof überhaupt nicht kennen oder erst mit ihm in Kontakt kommen, wenn ihre Kinder schulpflichtig würden, vermutet die Spittelhof-Leiterin.
Daran möchte das Spittelhof-Team etwas ändern. «Wir wollen bestimmt nicht weniger Kinder im Spittelhof haben, würden es aber begrüssen, wenn in Zukunft auch mehr Erwachsene den Weg in die Freizeitanlage finden würden», betont Seraina Combertaldi.
«Gerade das Offene Werken in der Holzwerkstatt oder der offene Töpferkeller sind doch niederschwellige und preiswerte Angebote, bei denen man sich kreativ betätigen und erst noch neue Kontakte knüpfen kann», betont auch Andrea Christen, die seit April 2022 im Team des Spittelhofs mitwirkt und dort hauptsächlich für die Medienarbeit und die Mitarbeit in den Ferienkursen zuständig ist.
Zum ungezwungenen Treffpunkt werden
Um mehr Erwachsene anzusprechen, hat das Spittelhof-Team auch sein Kursangebot angepasst. Da sich die Kursbesucher immer weniger verbindlich für etwas verpflichten möchten, dauern die meisten Kurse nur noch einen Abend maximal zwei Stunden lang. Zugleich gehe die Tendenz dahin, sich immer kurzfristiger anzumelden, was aber nicht möglich sei. «Wir müssen die Kurse vorbereiten und auch das entsprechende Material bereitstellen können», betont Andrea Christen.
Im Weiteren hat sich das Team auch Gedanken gemacht, wie Erwachsenen mit kleinen Kindern der Zugang zum Spittelhof erleichtert werden könnte. Eine Idee geht dahin, in Zukunft beim naturbelassenen Teil des Areals einen Spielplatz zu bauen und beispielsweise am Mittwochnachmittag oder am Samstagmorgen einen «Kafiträff mit Selbstbedienung und Spendenkässeli» anzubieten. «Damit würden wir Familien mit Kindern ansprechen», sagt Seraina Combertaldi. Während die Begleitpersonen ungezwungen einen Kaffee trinken könnten, würden die Kinder auf dem Spielplatz nebenan spielen. Dass ein Konzept mit Selbstbedienung funktioniert, wurde gerade in der Zeit des Kerzenziehens deutlich. Das Kaffee- und Kuchenangebot wie auch das «Spendenkässeli» wurden rege genutzt. «Viele Leute haben sogar Kuchen mitgebracht, die wir verkaufen durften», zeigt sich Seraina Combertaldi dankbar. Als Spielplatz würde sich das Spittelhof-Team einen möglichst naturnah gestalteten Platz mit Kiesfläche, Baumstrunk und Ziehbrunnen wünschen. «Damit die Kinder ohne Spielzeug etwas gestalten und auch ein wenig ‹chosle› könnten», meint die Spittelhof-Leiterin.
Ein weiteres Projekt besteht darin, auf Frühling 2023 eine «Strick- und Häkelgruppe» im Spittelhof anzubieten. Gerade auch junge Erwachsene entdecken dieses alte Handwerk wieder neu. Auch hier soll das Mitmachen ungezwungen und unverbindlich erfolgen können. «Sich treffen, stricken oder häkeln, einen Kaffee trinken und sich austauschen – man soll kommen und gehen können, wann man will», betont Andrea Christen.
Aktive Werbung machen
Neben all den Plänen will das Spittelhof-Team in den Medien noch mehr präsent sein, damit die Menschen den Spittelhof als einen Ort für ihre Kreativität entdecken. Und am 16. Dezember darf sich die Zofinger Freizeitanlage auf dem Alten Postplatz im Advents-Chalet präsentieren, das die Zofinger Feuerwehr am Weihnachtsmarkt der Sinne benutzt und das sie nach dem Markt verschiedenen kulturell tätigen Institutionen zur Verfügung stellt. «Dort bieten wir Kerzenziehen an, wollen uns aber auch mit weiteren Angeboten präsentieren», so Combertaldi.
Ziel soll es auch sein, neue Vereinsmitglieder zu werben. Denn die Freizeitanlage Spittelhof wird als Verein geführt und ist nicht nur auf ideelle, sondern auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Eine Unterstützung, die etwas mehr als 300 treue Mitglieder zum Teil seit vielen Jahren leisten. «Schön wäre es natürlich, wenn wir dort auch jüngere Mitglieder zum aktiven oder passiven Mitmachen bewegen könnten», meint die Spittelhof-Leiterin abschliessend.