Chaos im Repräsentantenhaus hält an: Auch Jim Jordan verfehlt in der Speaker-Wahl die notwendige Mehrheit
Der Republikaner Jim Jordan ist bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses im ersten Anlauf gescheitert. Aufgrund von Gegenstimmen aus seiner eigenen Fraktion kam der Vertraute des früheren US-Präsidenten Donald Trump bei der Abstimmung am Dienstag nicht auf die nötige Mehrheit. Er gewann bloss 200 von 432 abgegebenen Stimmen.
Jordan war am Freitag hinter verschlossenen Türen von seiner Fraktion zum Kandidaten gekürt worden – das Abstimmungsergebnis fiel dort aber denkbar knapp aus. Der Trump-Loyalist hatte zunächst nicht als mehrheitsfähig gegolten, in den vergangenen Tagen allerdings einige Gegner auf seine Seite gezogen. Für eine Mehrheit reichte es zunächst trotzdem nicht. 20 Parteikollegen stellten sich bei der Abstimmung am Dienstag gegen ihn. Zudem stimmten sämtliche Demokraten gegen ihn.
Druckversuche der Jordan-Verbündeten gingen «nach hinten los»
Der bisherige Speaker der Parlamentskammer, Kevin McCarthy, war Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung von dem mächtigen Posten abgewählt worden. Radikale Republikaner hatten ihn zusammen mit sämtlichen Demokraten aus dem Amt getrieben. Es war das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses auf diesem Weg seinen Job verlor.
Das Drama bei den Republikanern im Repräsentantenhaus hat das US-Parlament in den vergangenen zwei Wochen weitestgehend zum Stillstand gebracht. Denn die gesetzgeberische Arbeit liegt brach, bis ein neuer Vorsitzender der Kammer bestimmt wird – und das mitten in einer Zeit grosser internationaler Konflikte in der Ukraine und in Israel, die die Aufmerksamkeit des US-Parlaments bräuchten. Das Weisse Haus will angeblich noch in dieser Woche einen Nachtragshaushalt im Umfang von 100 Milliarden Dollar vorlegen, der neue Waffenlieferungen an Kiew und Jerusalem enthalten soll.
Die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist zersplittert und die verschiedenen Strömungen der Partei blockieren sich seit dem Wahlsieg der Rechtspartei im November 2022 gegenseitig. Hinzu kommen persönliche Animositäten. So beklagten sich am Dienstag zahlreiche Abgeordnete über die Druckversuche der Verbündeten von Jim Jordan, die wankelmütige Abgeordnete in den vergangenen Tagen mit Hunderten von Telefonanrufen und E-Mails eingedeckt hatten. «Das ging wohl zum Teil nach hinten los», sagte der Abgeordnete Byron Donalds einer Reihe von Journalisten im Kapitol. Jordan habe von dieser Kampagne nicht profitiert, sagte Donalds.
Demokraten geschlossen gegen Jordan
Die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus ist hauchdünn. Deshalb haben republikanische Abweichler bei Abstimmungen ein machtvolles Druckmittel in der Hand. Die Rechtspartei stellt derzeit 221 Sitze in der Parlamentskammer, die Demokraten bringen es auf 212 Sitze. Für eine Mehrheit hätte Jordan 217 Stimmen benötigt. Er konnte sich also nur vier Abweichler in den eigenen Reihen leisten – es stellten sich aber 20 Parteikollegen gegen ihn. Auf Stimmen der Demokraten von Präsident Joe Biden konnte Jordan bei dem Votum nicht zählen. Sämtliche Abgeordneten der Präsidentenpartei stimmten für ihren Fraktionsvorsitzenden Hakeem Jeffries.
Jim Jordan, der seit 2007 einen Wahlkreis in Ohio im Repräsentantenhaus vertritt, ist einer der Wortführer des rechten Fraktionsrandes und steht seit Jahren stramm an der Seite Trumps. Der Ex-Präsident hatte vor der Abstimmung offensiv für Jordan geworben. Die Demokraten dagegen hatten vor dem Votum gewarnt, die Wahl Jordans zum Speaker würde eine «schreckliche Botschaft an unsere Feinde» aussenden – sei der Republikaner doch ein deklarierter Feind der Demokratie, weil er die Niederlage Trumps bei der Präsidentenwahl 2020 nicht anerkennen wollte.
Das Repräsentantenhaus will sich nun am Mittwoch zum nächsten Wahlgang treffen. Jordan will erneut antreten. «Jim verschwindet nicht einfach, das liegt nicht in seiner Natur», sagte am Dienstag der republikanische Abgeordnete Bill Huizenga, der Co-Vorsitzende der parlamentarischen Vereinigung «Friends of Switzerland». Jordan sei ein Kämpfer, sagte Huizenga im Gespräch mit CH Media, und er werde nun versuchen, die Skeptiker im Gespräch umzustimmen. (dpa/rr)