Trump soll aussagen: Das Repräsentantenhaus will den ehemaligen Präsidenten direkt einvernehmen
In den Augen der Kommission, die im Auftrag des Repräsentantenhauses den Sturm auf das Parlamentsgebäude in Washington am 6. Januar 2021 untersucht, ist Donald Trump der eigentliche Drahtzieher. Hätte der Ex-Präsident seine Anhängerinnen und Anhänger nach seiner Wahlniederlage nicht aufgewiegelt, hiess es am Donnerstag an der vorerst letzten öffentlichen Sitzung des Gremiums, wären die Ereignisse nicht eskaliert.
Nur folgerichtig, will das Gremium den abgewählten Präsidenten deshalb als Zeugen einvernehmen. Einstimmig beschlossen die sieben Demokraten und zwei Republikaner, Trump vorzuladen, damit er unter Eid über die turbulenten Wochen zwischen dem Wahltag im November 2020 und dem Ende seiner Amtszeit im Januar 2021 Auskunft geben könne.
Der republikanische Ex-Präsident sei die Person, die am 6. Januar im Zentrum der Ereignisse gestanden sei, sagte Kommissionspräsident Bennie Thompson, ein Demokrat.
«Deshalb wollen wir von ihm hören.»
Vizepräsidentin Liz Cheney, eine Republikanerin, sagte zudem: Es könne nicht sein, dass bloss die Fusssoldaten Trumps juristisch zur Verantwortung gezogen würden.
Trump kann die Vorladung wohl aussitzen
Es ist aber unwahrscheinlich, dass der Ex-Präsident der Aufforderung der Kommission nachkommen wird. Trump und seine Alliierten sprechen dem Gremium, das 2021 durch die Demokratin Nancy Pelosi ins Leben gerufen wurde, die Legitimität ab. Auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social bezeichnete der Ex-Präsident die Untersuchungskommission als eine Lachnummer – auch weil die Demokraten sich geweigert hätten, den angeblichen Wahlbetrug zu untersuchen, der im November 2020 zu seiner Niederlage beigetragen hatte. (Es gibt keine Hinweise darauf, dass Präsident Joe Biden die Wahl 2020 dank gefälschten Stimmen gewann.)
Die gewöhnlich gut informierte «New York Times»-Reporterin Maggie Haberman berichtete allerdings in der Nacht auf Freitag, dass Trump unter einer Bedingung einverstanden wäre, vor der Kommission aufzutreten: Wenn die Einvernahme live am TV übertragen würde. Dann könnte der Ex-Präsident seine Thesen über die Wahlen 2020 ungefiltert verbreiten.
Schwer vorstellbar, dass die Demokraten einverstanden mit einem solchen Arrangement wären. Hinzu kommt: In drei Wochen stehen sämtliche Abgeordnete des Repräsentantenhauses zur Wahl. Wenn die Expertenprognosen eintreffen, und die Republikaner zu Beginn der neuen Legislaturperiode im Januar 2023 in der grossen Kammer die Macht übernehmen, dann wird die Untersuchungskommission ihre Arbeit umgehend einstellen. Im besten Fall muss Trump also nur einige Monate zuwarten, bis die Vorladung – im Juristenenglisch «subpoena» genannt – wie von selbst verschwindet.
Niederlage vor dem Supreme Court
Trump hat zudem derzeit mit strafrechtlichen Verfahren alle Hände voll zu tun. Eines dieser Verfahren dreht sich um Regierungsdokumente, die der Ex-Präsident sich beim Auszug aus dem Weissen Haus widerrechtlich angeeignet hatte. Am Donnerstag entschied das höchste Gericht in Washington, dass es sich vorerst nicht in die laufenden Ermittlungen einschalten werde. Trumps Anwälte hatten verlangt, dass der Supreme Court ein Machtwort spreche und ein unabhängiger Richter – der die während der FBI-Razzia in Trumps Anwesen beschlagnahmen Dokumente und Gegenstände sichtet – auch Zugang zu etwa 100 als geheim eingestuften Akten bekommen soll. Der Supreme Court lehnte diesen Antrag kommentarlos ab.
Der Untersuchungsausschuss zum 6. Januar präsentierte am Donnerstag dem Fernsehpublikum während mehr als zwei Stunden eine Art Zusammenfassung der bisherigen Arbeit. Vieles war bereits bekannt; die Besessenheit, mit der Trump es ablehnte, seine Niederlage einzuräumen; die Willfährigkeit von ausgewählten Beratern, den Präsidenten gewähren zu lassen und die Hinweise auf mögliche Gewaltakte seiner Anhänger. Neu waren höchstens Aufnahmen, die hochrangige Demokraten zeigten, wie sie am 6. Januar versuchten, sich einen Überblick über die Lage im Kapitol zu verschaffen.
Selbst wenn es Trump übrigens gelingen sollte, die Vorladung des Untersuchungsausschusses auszusitzen – die parallel laufenden, strafrechtlichen Ermittlungen des nationalen Justizministeriums kann er mit solchen Tricks nicht stoppen. Am Donnerstag sichteten CNN-Journalisten Mark Short, Stabschef des ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence, und Kash Patel, ein enger Vertrauter Trumps, in einem Washingtoner Gerichtsgebäude. Dort gaben sie höchstwahrscheinlich Auskunft über die dramatischen Ereignisse im Wahljahr 2020.