Trump und Musk: So war das «grösste Interview der Geschichte»
Debattieren ist dabei wohl nicht das richtige Wort. Als Elon Musk und Donald Trump sich am Dienstagabend um 20 Uhr (US-Zeit, 2 Uhr nachts Schweizer Zeit) zusammensetzten, um miteinander in der digitalen Öffentlichkeit über Politik zu sprechen, drängte sich der Eindruck auf, dass sich hier zwei Freunde, die grossmehrheitlich einer Meinung sind, zum Bier trafen.
Das Gespräch, das von Trumps Wahlkampfteam vollmundig als das «grösste Interview der Geschichte» angekündigt wurde, hatte mit einem solchen wenig gemein. Kritische Fragen von Musk, der zumindest zu Beginn das Gespräch zu moderieren versuchte, blieben komplett aus. Musk und Trump sprachen etwa 2.5 Stunden lang miteinander und drehten sich zeitweise im Kreis.
Das Attentat auf Trump
Migration, Migration und nochmals Migration
Inflation in den USA
Aussenpolitik (was Trump alles besser gekonnt hätte)
Wie schwach die Regierung Biden/Harris sei
Elon Musks potenzielle Rolle in einer Trump-Regierung
Das Gespräch begann mit 45 Minuten Verspätung. Womöglich waren die Server überlastet. Elon Musk witterte einen DDOS-Angriff, also einen Hackerangriff, der zumeist das Ziel hat, einen Server durch Überlastung zum Kollabieren zu bringen.
Zum ursprünglichen Startzeitpunkt der Übertragung, die via den X-Dienst Spaces, mit dem Audio-Gespräche live gesendet werden können, ausgestrahlt wurde, waren etwa 700’000 User im digitalen Zuhörerraum. Während der Wartezeit stieg die Zahl auf circa 1,1 Millionen.
Hier sind einige Beobachtungen zu den genannten Themen und zum Gespräch generell.
Die politischen Themen: Migration und Inflation
Elon Musk hatte im Verlaufe des gestrigen Tages auf X angekündigt, dass er mit Trump ein Gespräch führen würde. Das führte zu Kritik von EU-Kommissar Thierry Breton, der befürchtete, Trump (oder Musk) könnten gegen EU-Gesetze bezüglich der Verbreitung von Hetze und von Gewaltaufrufen verstossen.
Diesbezüglich hielten sich die Protagonisten eher zurück. Im Grunde sagte insbesondere Trump nicht viel Neues. Das politische Hauptthema war die Migration in den USA. Trump wurde nicht müde zu betonen, wie unglaublich ausser Kontrolle die Lage sei und wie viele Illegale, Kriminelle und Arbeitsscheue aus der ganzen Welt in die USA kämen.
Musk stimmte Trump ohne Widerrede zu. Er äusserte sich aber ein wenig differenzierter.
«Meiner Meinung nach sind die meisten Immigranten gute und hart arbeitende Menschen. Aber einige sind es nicht.»
Das Problem sei, dass man sie nicht unterscheiden könne. Musk und Trump waren sich einig, dass die Grenzen komplett geschlossen und jeder Einreisende überprüft werden müsse. Und ebenso, dass die Regierung von Biden und Harris am Schlamassel schuld sei.
Insbesondere Trump kam immer wieder auf das Migrationsthema zurück – und drückte sich wesentlich weniger differenziert aus. Er bezeichnete illegale Einwanderer als «wüste, wüste Leute», es gebe täglich Kriminalität von Migranten und es habe viele Mörder darunter. Auch rassistische Aussagen fielen, beispielsweise als er Menschen aus dem Kongo per se als Mörder bezeichnete, ohne das weiter zu begründen.
Er griff dabei auch Harris scharf an. Sie habe 3,5 Jahre Zeit gehabt, etwas gegen die illegale Migration zu tun und habe es nicht gemacht. Wer glaube, dass es sich mit ihr als Präsidentin ändern würde, sei dumm und naiv.
Auch bezüglich der hohen Inflation, welche das zweitgrösste Problem sei, sei die Regierung schuld. Musk kritisierte insbesondere, dass die US-Regierung zu viel Geld ausgeben würde. Es brauche eine Kommission, die die Ausgabeneffizienz kontrollieren würde. Im Zuge dieser Äusserungen bot Trump Musk indirekt einen Job an (siehe unten).
Die Gesprächsführung
Elon Musk versuchte zu Beginn das Gespräch zu moderieren. Er sprach mit Trump zuerst über das Attentat auf diesen – und kam dann während 20 Minuten kaum mehr zu Wort, denn in diesen sprach eigentlich nur Trump.
Er wiederholte seine Aussagen, dass es sich um ein «göttliches Wunder» gehandelt haben müsse, dass er überlebte und er schilderte im Detail, wie er die Situation erlebt hatte.
Auffallend war, nebst der Tatsache, dass Trump wesentlich mehr Redezeit beanspruchte, dass er Musk immer wieder mit dem Vornamen ansprach. Wenn er ihn, insbesondere beim Teil bezüglich Migration, mit «Elon, Elon» unterbrach, hatte das etwas Lehrerhaftes einerseits und etwas beinahe Väterliches andererseits.
Musk hingegen widersprach Trump nie direkt. Wenn er mit einer Aussage nicht vollständig einverstanden schien, versuchte er das Thema zu wechseln. Allzu oft kam das aber nicht vor, da die beiden zumeist einer Meinung waren.
Trumps nette Worte über Diktatoren
Als es um die US-Aussenpolitik ging, wiederholte Trump bereits bekannte Behauptungen. So hätte es den Krieg in der Ukraine nicht gegeben und Israel wäre nicht angegriffen worden. Und auch in Afghanistan hätte es mit ihm als Präsident «kein Chaos» gegeben.
Er führte das darauf zurück, dass die Welt ihn als Präsident respektieren würde, im Vergleich zu Biden, der schwach sei. Er hätte zu Putin bezüglich der Ukraine gesagt:
«Wladimir, es wäre keine gute Entscheidung, tu‘ es nicht.»
Er könne mit Putin ebenso gut umgehen wie mit Xi Jinping oder Kim Jong-Un. In diesem Zusammenhang irritierte er mit einigen ausgesprochen positiven Aussagen zu den autoritären Staatsoberhäuptern. So sagte er:
«Ich glaube, diese Männer lieben ihr Land. Auf eine andere Art und Weise, aber sie lieben es.»
Besonders über Kim Jong-Un sprach er beinahe bewundernd:
«Er ist der Boss da. Ich habe Sachen gesehen … er ist wirklich der Boss da unten und er hat alles im Griff.»
Er verstehe nicht, weshalb Barack Obama Nordkorea bei seiner Amtsübergabe gegenüber ihm als grösstes Problem bezeichnet hatte. «Ich habe das Problem ziemlich schnell gelöst. Ich komme sehr gut mit ihm klar.»
Musk pflichtete Trump bei, dass die USA einen starken und respektierten Präsidenten brauchten und dass Biden kein solcher sei. Trump hingegen könne diese Rolle übernehmen. Besonders dessen Reaktion nach dem Attentat, als er die Faust in die Höhe reckte, habe ihn beeindruckt. Das sei mit ein Grund gewesen, weshalb er ihn nun unterstützen würde.
Trumps Beleidigungen gegen Harris und Biden
Wie gewohnt, schoss Trump gegen die Demokraten. Häufig auch unter der Gürtellinie. Er verunglimpfte Kamala Harris unter anderem als «Verrückte», «Lügnerin» und «dumm». Zudem habe sie ganz Kalifornien zerstört.
Elon Musk hielt sich zu Beginn zurück mit persönlichen Angriffen gegen Harris und Biden. Im Verlaufe des Gesprächs jedoch begann er über Trumps Witze zu lachen (beispielsweise als dieser sagte, er wüsse nicht, ob Biden überhaupt noch einen IQ habe).
Zudem sagte Trump mehrmals, dass Harris und Biden intellektuell nicht in der Lage seien, ein solches Gespräch wie das ihre gerade zu führen. Musk stimmte lachend zu und bezeichnete Biden als «NPC».
Trump bietet Musk Job an
Als es um die Inflation und die hohe Staatsverschuldung der USA ging, insistierte Musk. Er kam mehrmals darauf zu sprechen, dass die USA eine Kosteneffizienzkommission aufbauen müssten, welche Staatsausgaben genau prüfen und insgesamt deutlich minimieren würde.
Nachdem er mehrmals nachhakte und Trump fragte, was dieser davon halte, erklärte der Ex-Präsident, dass er es eine gute Idee fände. Er sagte:
«Ich würde es lieben. Und du wärst perfekt dafür geeignet. Du weisst, wie man kürzt.»
Er spielte damit auf Musks Sparkurs bei X an, den er dem Unternehmen nach dem Aufkauf verordnete und im Zuge dessen über 6000 Mitarbeitende entlassen wurden.
Eine kleine Meinungsverschiedenheit
Dass Trump und Musk nicht zusammenfanden, um kontrovers zu diskutieren, zeigte sich bei einem Thema, das nur kurz angeschnitten wurde: dem Klima.
Tesla-Chef Musk erklärte, dass man die Klimaerwärmung ernst nehmen müsse, aber dass man «keinen Stress damit» habe. Es reiche, in den nächsten 50 bis 100 Jahren nachhaltig zu werden. Man müsse aber bereits heute «in Richtung Nachhaltigkeit lehnen» und beispielsweise Solarenergie fördern, ohne dabei die Wirtschaft zu stark einzuschränken.
Trump, der sich bisher nicht im Geringsten als Umwelt- oder Klimaschützer profiliert hatte, ging nicht wirklich auf das Thema ein. Anstatt Musk zu widersprechen, wechselte aber er dieses Mal das Thema. Und das auf irritierende Art und Weise: Er verstehe nicht, weshalb die Menschen über die Klimaerwärmung sprechen würden. Denn die grösste Bedrohung sei nicht diese für die Menschheit, sondern die nukleare Bedrohung. Mittlerweile hätten fünf Staaten ein grosses Nuklearwaffen-Arsenal. Das sei die grösste Bedrohung für die Menschheit – nicht der Klimawandel.
Ob nicht auch beides bedrohlich sein könnte, blieb offen.
Ein Kurzfazit
Zum Schluss säuselten sich die beiden Protagonisten Komplimente zu, bezeichneten sich gegenseitig als «amazing» und beteuerten, wie sehr sie sich schätzen.
Es wurde nochmals deutlich, wie beide von dem Gespräch profitieren konnten: Musk konnte einige sehr spezifische Anliegen mit dem potenziellen nächsten US-Präsidenten und der Öffentlichkeit teilen. Und Trump bekam eine grosse digitale Bühne für seinen Wahlkampf.
Er brauchte sie dringend, nachdem er sich in jüngerer Vergangenheit schwergetan hatte, den euphorisierten Demokraten um Kamala Harris und Tim Walz das Scheinwerferlicht streitig zu machen.