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Von den Europäern fordert er Meinungsfreiheit – selbst schmeisst JD Vance Andersdenkende raus
Der amerikanische Vizepräsident heizt die Spannungen in den transatlantischen Beziehungen gezielt an. Am Montag kritisierte JD Vance die Ermittlungsbehörden in Deutschland scharf dafür, dass sie – basierend auf deutschen Gesetzen – gegen Hassrede im Internet vorgeht. «Jemanden zu beleidigen, ist kein Verbrechen, und die Kriminalisierung von Meinungsäusserungen wird eine echte Belastung der Beziehungen zwischen Europa und den USA darstellen», schrieb Vance auf dem Online-Dienst X.
Damit setzte Vance seinen Kreuzzug fort, den er mit seiner Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz begonnen hatte. Die Meinungsfreiheit auf dem alten Kontinent sei in Gefahr, bedroht von übereifrigen Funktionären, hatte der 40 Jahre alte Republikaner am Freitag zum Erstaunen der Zuhörerinnen und Zuhörer gesagt.
Vance kündigte an, dass die neue Regierung in Washington diese angebliche Zensur in Europa nicht länger hinnehmen werde. Denn Donald Trump, sagte Vance sinngemäss, halte es wie Voltaire. Dem französischen Philosophen wird (fälschlicherweise) das Zitat zugeschrieben: «Ich missbillige, was du sagst, aber ich werde bis zum Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.»
Das Weisse Haus verbannt die Nachrichtenagentur AP
An der Liberty Street im New Yorker Stadtteil Manhattan wird man über diese Aussage gelacht haben. Dort befindet der Hauptsitz der Nachrichtenagentur Associated Press, die seit ihrer Gründung im Jahr 1846 aus dem amerikanischen Medienbetrieb nicht mehr wegzudenken ist. Das gemeinnützige Unternehmen, für das Tausende von Medienschaffenden arbeiten, beliefert seine Kunden mit Nachrichten aus der ganzen Welt.
Allein: Der Zugang zu Präsident Trump, der ist den AP-Korrespondenten derzeit versperrt. Seit einer Woche nämlich werden Vertreterinnen und Vertreter der Nachrichtenagentur daran gehindert, das Oval Office im Weissen Haus zu betreten oder das Präsidenten-Flugzeug Air Force One zu besteigen. Der Grund für diese beispiellose Anordnung: Die AP weigert sich, die neue Bezeichnung für den Golf von Mexiko zu übernehmen.
Die Meeresbucht, an die nebst den USA auch Mexiko und Kuba grenzen, heisst in den Vereinigten Staaten seit dem 24. Januar 2025offiziell «Gulf of America», oder auf Deutsch Golf von Amerika. Damit setzte das Innenministerium eine Direktive von Trump um, das präsidiale Dekret 14172.
AP will Namensänderung nicht vollständig übernehmen
Eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung kann mit der neuen Bezeichnung für den Golf wenig anfangen. Wohl auch, weil sich der alte Name mehr als 400 Jahre lang im Verkehr befand. Die AP beruft sich allerdings nicht auf den Volkswillen, obwohl Vizepräsident Vance in München doch sagte: «Man kann die Menschen nicht dazu zwingen, was sie denken, was sie fühlen oder was sie glauben sollen.»
Die AP verweist vielmehr darauf, dass es sich bei der Namensänderung für den Golf von Mexiko um eine unilaterale Anordnung Trumps gehandelt habe, die von keinem anderen Anrainerstaat und von keiner internationalen Organisation unterstützt werde. Deshalb werde man künftig beide Bezeichnungen, die neue und die alte, verwenden, damit keine Verwirrung aufkomme. So ist es im Glossar der Nachrichtenagentur nachzulesen, das vielen englischsprachigen Redaktionen als Leitfaden dient.
Das ist ein gefundenes Fressen für hochrangige Exponenten der Regierung Trump, die solche Konfrontationen mit führenden Medienorganisationen aus politischen Gründen gezielt suchen. So warf Pressesprecherin Karoline Leavitt der Nachrichtenagentur vor, sie habe ihr Privileg missbraucht, aus dem Weissen Haus zu berichten. Keine Medienorganisation habe ein Recht darauf, dem Präsidenten im Oval Office Fragen zu stellen oder ihn zu fotografieren, sagte Leavitt.
AP kündigt rechtliche Schritte an
Die AP sieht dies naturgemäss etwas differenzierter. Die Chefredaktorin Julie Pace nannte die Vergeltungsmassnahme des Weissen Hauses eine klare Verletzung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit, die in den USA grosszügig ausgelegt wird. Pace kündigte deshalb rechtliche Schritte an.
Führende amerikanische Medien solidarisierten sich derweil in schriftlichen Stellungnahmen mit der AP. Zu einer gemeinsamen Protestaktion der Korrespondenten im Weissen Haus kam es aber bisher nicht – obwohl sich die Berater des Präsidenten über eine solche Aktion wohl freuen würden. Trump selbst äusserte sich bisher nicht direkt zu dem Konflikt. Stattdessen verbreitete er auf X ein Zitat, das dem französischen Herrscher Napoleon Bonaparte zugeschrieben wird: «Wer sein Heimatland rettet, verstösst gegen kein Gesetz.» Ob diese Aussage wohl mit JD Vance abgesprochen war?