Weniger Ärzte, weniger Spitäler, günstigere Medis: So soll die Prämienexplosion gestoppt werden
Während alle vom Energiepreis-Schock sprechen, dürfte der nächste Preis-Schock auch bald kommen: Die Krankenkassenprämien dürften in vielen Regionen für das kommende Jahr deutlich teurer werden. Eine «markante» Prämienerhöhung sei «unabdingbar», schreibt dann auch Santésuisse, der Branchenverband der schweizerischen Krankenversicherer, in einer Mitteilung vom Dienstag. Noch bevor die neuen Prämien bekannt sind, präsentiert der Verband ein ganzes Bündel an Vorschlägen, um das Kostenwachstum zu bremsen.
Die Kostenentwicklung sei «dramatisch», urteilt Santésuisse. Neuste Auswertungen zeigten, dass die Kosten 2021 pro versicherte Person um 6,4 Prozent gestiegen sind. «Im laufenden Jahr beträgt das Kostenwachstum rund 4 Prozent. Für das kommende Jahr ist leider keine Besserung in Sicht», so der Verband.
Einen der Gründe sehen die Versicherer im Arzttarif Tarmed – diesen kritisiert Santésuisse schon länger. Er wurde den vom Ärzteverband FMH und dem anderen Krankenkassenverband, Curafutura, entwickelt.
Vorwürfe an die Politik
Dieser führe wegen falschen Tarif-Anreizen im ambulanten Bereich zu «gravierenden Fehlentwicklungen». Preistreiber seien auch die Medikamentenpreise, die in der Schweiz «viel zu hoch» angesetzt sind. Auch die Nachholeffekte nach der Pandemie hätten zum Kostenwachstum beigetragen. Santésuisse spielt den Ball an die Politik zurück. Diese müsse die Fehlentwicklungen nun korrigieren. Allerdings sei der Wille «zu echten kostendämpfenden Massnahmen bisher kaum spürbar».
Den Hebel ansetzen will Santésuisse an mehreren Orten. So solle Tarmed durch ambulante Pauschalen ersetzt werden, ergänzt mit einem neuen Einzelleistungstarif. Im Bereich der stationären Behandlungen seien Pauschalen seit Jahren erfolgreich. Diese würden auf der Basis von Kostendaten aus dem Spitalalltag festgelegt. Ebenfalls müssten die Medikamentenpreise sinken. Es brauche dafür unter anderem ein Referenzpreissystem für Generika
Unnötige Leistungen streichen
Zwei weitere Punkte aus dem Forderungskatalog dürften dagegen deutlich mehr Sprengstoff bieten. So sollen die Kantone die Anzahl der zugelassenen Ärztinnen und Ärzte besser regulieren. «Jede neue Arztpraxis kostet die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler jährlich rund eine halbe Million Franken», heisst es im Bericht. Eine Überversorgung solle «konsequent» verhindert werden. Und gerade in der Spitalplanung gebe es viel «Synergiepotenzial», diese dürfe nicht an der Kantonsgrenze aufhören.
Sparpotenzial sieht Santésuisse auch durch Streichen von Leistungen. «Unnötige Leistungen sollen nicht vergütet werden», so der Verband. Die Bewertung medizinischer Verfahren mittels Health Technology Assessment (HTA) soll «systematischer und rascher» erfolgen und so Kosteneinsparungspotenziale aufzeigen. Der Verband rechnet vor, dass rund 200 Millionen Franken gespart werden könnten, wenn alle unnötigen Leistungen aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gestrichen würden. (mg)