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Verblüffende Erfolge mit Fazialischirurgie

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Eine Gesichtslähmung hat oft gravierende Folgen für Betroffene. Operationen können helfen, wichtige Funktionen wiederherzustellen. Das Kantonsspital Aarau ist eines der wenigen Spitäler in der Schweiz, die mit der Fazialischirurgie diese Kompetenz anbieten.

Blinzeln, lächeln, essen, atmen: An all diesen Aktivitäten ist der Gesichtsnerv, der Nervus facialis, beteiligt. Ist dieser beschädigt, kommt es zu Gesichtslähmungen, der sogenannten Fazialisparese. Deren physische und psychische Folgen können gravierend sein: «Ist beispielsweise das Augenlid betroffen, droht auf längere Zeit die Erblindung», erklärt PD Dr. med. Holger Klein. Er ist Leitender Arzt für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Kantonsspital Aarau und Spezialist für Fazialischirurgie. Die Ursachen für eine Fazialisparese sind vielseitig und reichen von Virusinfektionen oder Unfällen über Tumoren und deren Entfernung bis hin zur Bestrahlung. In vielen Fällen ist die Ursache jedoch unklar (idiopathische Gesichtslähmung). Manchmal sind die Schädigungen auch angeboren. Was auch immer die Ursache ist: Eine gezielte Behandlung kann grosse Erfolge erzielen.

Je früher die Behandlung beginnt, desto besser

Kurz gesagt ist die Fazialischirurgie eine chirurgische Rekonstruktionsmethode zur Wiederherstellung einer Vielzahl von motorischen Gesichtsfunktionen. Dabei handelt es sich um ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Nerven, Muskeln und Sehnen. Entsprechend braucht es viel Feingefühl und Fachwissen, um die richtige Behandlung zu finden. «Darum arbeiten wir im Kantonsspital Aarau eng mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen zusammen», erklärt Holger Klein. Die gute Nachricht: Eine Operation ist nicht immer nötig. «In manchen Fällen reicht eine fachspezifische Logo- oder Physiotherapie aus, damit sich Funktionen wieder richtig einspielen.» Ist eine operative Therapie notwendig, unterscheidet man zwischen der statischen und dynamischen Rekonstruktion. Die statische Rekonstruktion zielt darauf ab, die abgesackte und erschlaffte Haut an ihre ursprüngliche Position zu bringen, um eine gewisse Ruhesymmetrie zu erreichen, wie z.B. das Anheben der tiefer stehenden Augenbraue oder des hängenden Mundwinkels. Die deutlich komplexere dynamische Rekonstruktion hingegen macht sich die Reanimation (Wiederbelebung) der verlorengegangenen Gesichtsbewegungen zur Aufgabe. Welches der beiden Verfahren gewählt wird, hängt mitunter vom Alter des Patienten sowie dem zeitlichen Auftreten der Gesichtslähmung ab. «Bei Menschen über 70 Jahren ist eine statische Rekonstruktion häufiger, bei jüngeren Menschen bringen wir nach Möglichkeit das motorische System wieder zum Laufen», so Holger Klein. Je früher die Behandlung beginnt, desto besser: Nach 18 bis 24 Monaten lassen sich gelähmte Muskeln nicht mehr ansteuern, sodass neben der statischen Rekonstruktion die Transplantation eines Muskels vom Oberschenkel notwendig ist, um grundlegende Gesichtsbewegungen wiederherzustellen.

Jüngere haben die besten Ergebnisse

Ein allgemein geltendes Grundprinzip der plastischen Chirurgie lautet, Gleiches mit Gleichem zu ersetzen. Das gilt auch für die Fazialischirurgie: «Im Idealfall können wir Nerven, Muskeln oder Sehnen des Gesichts ‹umhängen›», beschreibt Holger Klein den Vorgang. «Oder wir transferieren Nerven und/oder Muskeln aus einem anderen Körperbereich wie dem Oberschenkel.» Mit konsequenten Übungen und gezielter Stimulation lernt das Gehirn anschliessend, die neuen Abläufe korrekt anzusteuern. Dabei ist die Erfolgsquote hoch: «Auch wenn wir nie ganz an den natürlichen Zustand herankommen, profitieren alle unsere Patienten und Patientinnen von der Behandlung», sagt Holger Klein. Und die Risiken? «Neben den üblichen Operationsrisiken kommt es vor, dass die Nerven- oder Muskelregeneration nicht wie gewünscht funktioniert», so Holger Klein. «Das ist aber eher selten und betrifft vor allem ältere Patienten.» In den allermeisten Fällen gelingt die Rekonstruktion – mit zum Teil verblüffendem Erfolg: «Gerade bei Kindern und jungen Erwachsenen können aufgrund des hohen Regenerationspotentials annähernd perfekte Resultate erreicht werden – fast so wie sie die Natur geschaffen hat. Das ist besonders schön zusehen, da beispielsweise das wiederhergestellte Lächeln eines Kindes unabdingbar für dessen soziale Interaktion und Weiterentwicklung ist.

Die Behandlung wirkt ein Leben lang

Trotz diesen Erfolgen sind die Möglichkeiten der Fazialischirurgie auch in Ärztekreisen nicht sehr bekannt. «Sogar in meiner eigenen Sprechstunde erlebe ich häufig Betroffene, die wegen etwas ganz anderem zu mir kommen», erklärt Holger Klein. «Darum wollen wir Patientinnen und Patienten sowie Fachleute besser über die Möglichkeiten der Fazialischirurgie aufklären.» Die Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten für die Therapie. Mit gutem Recht: «Wenn das hochkomplexe Ensemble aus mimischer Muskulatur und Nerven wieder eingestellt ist, bleibt dies ein Leben lang erhalten.»

Andreas Winter

Informationen für Betroffene sowie Sprechstundentermine erhalten Sie unter: www.ksa.ch/plastische-chirurgie oder plastischechirurgie@ksa.ch

«Mimik ist unabdingbar, um unsere Emotionen auszudrücken»

PD Dr. med. Holger Klein ist Leitender Arzt Plastische Chirurgie und Handchirurgie am KSA. Bild: zvg

Herr Klein, in vielen Fällen sind die Ursachen für Gesichtslähmungen offenbar unklar. Gibt es hier wenigstens Hinweise, was diese auslösen könnte?

Holger Klein: Die Fazialisparese ohne klare Ursache liegt in etwa 55 Prozent der Fälle vor. Hierbei spricht man auch von der idiopathischen Fazialisparese oder Bell’schen Parese. Die Fachwelt vermutet bis heute einen Autoimmunprozess hinter der plötzlich auftretenden Lähmung. Am zweithäufigsten, in rund 25 Prozent der Fälle, lassen sich seitliche Schädelfrakturen oder Weichteilverletzungen des Gesichts als Ursache nennen. Ebenfalls wird die Fazialisparese im Rahmen von bakteriellen (z.B. Borreliose) oder viralen (z.B. Herpes) Infektionen beobachtet. Auch Tumore (ca. 5 Prozent) im Bereich des Fazialisnervs können eine Lähmung verursachen.

Gesichtslähmungen müssen psychisch massiv belastend sein. Was hören Sie diesbezüglich von Patientinnen und Patienten?

In der Tat sind die psychischen Folgen, welche mit einer Fazialisparese einhergehen, für die Betroffenen häufig ein grosses Problem. Die Mimik als Instrument der sozialen Interaktion ist unabdingbar, um unsere Emotionen auszudrücken. So berichten viele Patienten auch Jahre nach einer (teilweise erholten) Parese über ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten von Foto- oder Videoaufnahmen an privaten oder öffentlichen Anlässen. Auch Besuche in Restaurants stellen für die Patienten eine Belastung dar, da der nicht vollständige Mundschluss beispielsweise zum Herauslaufen von Speisen und Flüssigkeiten führt. Dies mündet in einigen Fällen im sozialen Rückzug mit depressiven Zügen. Ist der Lidschluss von der Lähmung betroffen, müssen die Patienten mehrmals am Tag Augentropfen oder -salben und zur Nacht einen sogenannten Uhrglasverband anwenden, damit die Hornhaut des Auges nicht austrocknet, was eine allmähliche Erblindung zur Folge hätte. Damit einher geht eine Empfindlichkeit des Auges gegenüber hellem Licht, Kälte und Wind, was die Patienten im alltäglichen Leben einschränkt.

Wie muss man sich die Therapie nach einem solchen Eingriff vorstellen? Wie lernen Patienten quasi, wieder zu lächeln?

Handelt es sich um Eingriffe, bei welchen Nerven- oder Muskeln «umgehängt» oder «verpflanzt» werden, benötigt es einige Monate, bis das Gehirn die neue Funktion erlernt. Hierbei spricht die Fachwelt auch von der neuronalen Plastizität, welche die Fähigkeit des Gehirns beschreibt, neue Verknüpfungen unter Nervenzellen zu bilden. Eine unverzichtbare Rolle spielt hierbei neben der präzisen Chirurgie die anschliessende logopädische Therapie, um das ausgeklügelte Zusammenspiel von Nerven- und Muskelzellen einzustudieren. Während anfangs lediglich unkoordinierte Zuckungen zu beobachten sind, so lassen sich nach einigen Monaten zunehmend abgestimmte und symmetrische Bewegungen erreichen. (zt)

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