
Das ganze Jahr über den Gotthardpass fahren: Urner Politiker reagieren skeptisch
Der Schnee türmt sich, und es herrscht Lawinengefahr: Von Oktober und in der Regel bis Mitte Mai ist die Gotthardpasstrasse gesperrt. Um diese Nord-Süd-Verbindung ganzjährig zu öffnen, müssten gemäss Schätzungen des Bundesamtes für Strassen mindestens 300 Millionen Franken investiert werden – für den Bau verschiedener Schutzgalerien und Tunnel. Der Bundesrat hat diese Idee vor einem Jahr in einemBerichtverworfen. Die Begründung in Kurzform: Nützt wenig, aber kostet viel.
Doch jetzt macht das Parlament Druck, den Pass das ganze Jahr befahrbar zu machen. Der Aargauer SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner hat in der abgelaufenen Session eine entsprechende Motion eingereicht. Nicht weniger als 57 Nationalrätinnen und Nationalräte, die meisten aus SVP und FDP, haben den Vorstoss mitunterzeichnet. Auch der Tessiner SP-Nationalrat Bruno Storni unterstützt das Anliegen – vor allem, damit man im Frühling den Pass schneller benutzen könne. An Ostern sei das Stauproblem wirklich gross, sagte er gegenüber der«SonntagsZeitung».
Immer mehr Staustunden
Giezendanner erachtet die Investitionskosten als verhältnismässig gering. Auch könne man eine wichtige Redundanz zum Gotthard-Strassentunnel schaffen und andere Alpenübergänge entlasten, argumentiert er. Zur Erinnerung: Im September 2023 musste der Strassentunnel wegen eines Risses an der Zwischendecke etwa eine Woche lang gesperrt werden. Das Tessin war stark von der Deutschschweiz abgeschnitten. Die Sperre fiel ausgerechnet in jene Zeit, in der keine Züge durch den Gotthard-Basistunnel fahren konnten. Ein entgleister Güterzug hatte den Tunnel massiv beschädigt.
Die Staustunden am Gotthard haben in den letzten Jahren permanent zugenommen. Geduld ist nicht mehr bloss an Ostern und anderen Feiertagen gefragt, vielmehr stehen die Autos an den meisten Wochenenden von Mitte März bis Mitte Oktober Schlange. Verantwortlich dafür ist primär der Freizeit- und Ferienverkehr.
Während Giezendanners Vorstoss bei vielen Tessiner Politikern Zustimmung findet, reagieren Urner Volksvertreter skeptisch. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit einer ganzjährigen Befahrbarkeit der Gotthardpassstrasse unsere Kantonsstrassen entlasten kann», sagte Mitte-Nationalrat Simon Stadler der «SonntagsZeitung».
«Diese Idee wäre schlecht für den Kanton Uri», sagt FDP-Ständerat Josef Dittli. Solange der Pass geschlossen sei, gebe es kein Problem. Der Grund: Die Autobahneinfahrten in den Dörfern sind bei Stau gesperrt, sodass es für den Durchgangsverkehr keinen Sinn macht, auf die Kantonsstrasse auszuweichen. Dieses Problem gebe es aber im Sommer, solange der Pass geöffnet sei. «Wäre der Pass nun auch über den Winter geöffnet, bestünde das Risiko verstopfter Kantonsstrassen das ganze Jahr, besonders an Ostern», sagt Dittli. Er befürchtet zudem, dass der Kanton Uri an Winterwochenenden erst recht von einem Verkehrschaos geplagt würde – weil neben den Wintersportlern auch noch die Gotthard-Überquerer durch die Schöllenen nach Andermatt fahren würden.