Mit dem Auto ins Stadtzentrum fahren und dort parkieren – oder Veloschnellrouten bauen und den Fussverkehr fördern?
Avenir Suisse findet es falsch, dass der Bund für Verkehrsprojekte zahlt, die nur regionalen Nutzen haben. Angesichts der angespannten Finanzlage sollten die Beiträge für Agglomerationsprogramme hinterfragt werden, schreibt der liberale Thinktank. Der Aargauer Verkehrsdirektor Stephan Attiger konterte in der AZ und sagte, mit den Bundesbeiträgen werde ein Auftrag des Stimmvolks erfüllt. Zudem entlaste die regionale Infrastruktur wie die Limmattalbahn nationale Verkehrsträger wie die Autobahn A1.
Das neue Agglomerationsprogramm Aargau Ost – es handelt sich bereits um die fünfte Generation – umfasst zahlreiche Projekte in den Räumen Baden-Wettingen, Brugg-Windisch, Lenzburg, Wohlen und Bremgarten. Die detaillierten Unterlagen, mehrere hundert Seiten stark, lagen bis vor ein paar Tagen zur öffentlichen Anhörung auf.
Von den Kantonalparteien haben sich SVP, FDP, Mitte, GLP und SP an der Vernehmlassung zum neuen Agglomerationsprogramm Aargau Ost beteiligt. Grundsätzlich sind alle fünf Parteien mit den Plänen einverstanden, bei den Bemerkungen zu den vorgesehenen Projekten ist es aber rasch vorbei mit der Einigkeit.
SVP und FDP pochen auf Zufahrt ins Zentrum und Parkplätze
Die SVP findet eine Reduktion des Autoverkehrs im Bezirk Baden von 58 auf 44 Prozent bis 2040 unrealistisch, weil das Bevölkerungswachstum in dieser Region am stärksten sei. Zudem kritisiert die Partei, das Programm ziele einseitig auf die Förderung von ÖV und Langsamverkehr. Der motorisierte Individualverkehr solle ins zweite Glied rücken, dies widerspreche der Kantonsverfassung.
Auch die FDP hält fest, das Programm forciere vor allem den Bau neuer Fuss- und Radwege in den urbanen Zentren. Weiterhin wichtig bleibt für die Freisinnigen die Erreichbarkeit der Städte auch mit dem Auto. «Einerseits für Pendler aus der weiteren Umgebung, aber insbesondere auch für das Gewerbe», heisst es in der Stellungnahme mit Verweis auf die steigende Zahl von Staustunden.
SP und GLP für Veloschnellrouten und weniger Autos
Die SP stellt sich gegen Umfahrungsstrassen zur Entlastung der Zentren, wie sie in Baden und Brugg geplant sind. Bei der Umsetzung des Programms dürfe kein zusätzlicher Verkehr entstehen, und die Versiegelung des Bodens müsse gestoppt werden. Auch die Sozialdemokraten wollen eine Verlagerung vom Auto auf öffentlichen Verkehr, für Kurzdistanzen im urbanen Raum und in den Zentren sollten Velo- und Fussverkehr prioritär gefördert werden.
Die GLP verlangt, der Ausbau von hochwertigen Velowegen und Velovorzugsrouten müsse beschleunigt werden, um eine echte Alternative zum Auto zu schaffen. Zudem müssten Frequenz und Kapazität im öffentlichen Verkehr, insbesondere auf den Hauptstrecken, erhöht werden. Und die Grünliberalen wollen den Anteil des Autoverkehrs an der gesamten Mobilität bis 2040 auf unter 50 Prozent reduzieren.
Mitte fordert Rücksicht auf Gemeinden und Bevölkerung
Die Mitte verlangt, dass bei der Umsetzung des Programms «auf die betroffenen Gemeinden und deren Bevölkerung Rücksicht genommen wird, um eine möglichst breite Akzeptanz zu schaffen». Zudem sei den verschiedenen öffentlichen Interessen – genannt wird als Beispiel der sparsame Landverbrauch – und allfälligen Ersatzmassnahmen hinreichend Rechnung zu tragen.
Das Agglomerationsprogramm soll gemäss Kanton dazu beitragen, die regionale Siedlungs- und Verkehrsentwicklung im Raum Aargau Ost aufeinander abzustimmen. Es wurde in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Regionalplanungsverbänden erarbeitet. Die Realisierung der Projekte ist zwischen 2028 und 2032 (Priorität A) sowie von 2032 bis 2036 (Priorität B) vorgesehen.