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Verliert Putin die Nerven? Jetzt greift er persönlich auf dem Schlachtfeld ein – und verschiebt einzelne Truppenverbände

Die russische Offensive in nun sogar im Osten ins Stocken geraten. Kremlchef Putin geriert sich deshalb offenbar selbst als Feldherr. Derweil konnten in der Nacht 260 Ukrainer aus dem belagerten Stahlwerk von Mariupol evakuiert werden.

Es läuft nicht gut für Wladimir Putin und seinen Feldzug in der Ukraine. Im Osten des Landes wird seine Armee immer weiter zurückgedrängt. Bei Charkiw gar bis ins eigene Staatsgebiet. In der Nacht auf Dienstag liessen es die Russen daher einmal mehr Bomben regnen: Im Donbass starben dabei laut ukrainischen Angaben mindestens 19 Zivilisten.

Ebenfalls in der Nacht konnten rund 260 ukrainische Soldaten das belagerte Asow-Stahlwerk in Mariupol verlassen. Darunter seien 53 Schwerverletzte, gab der ukrainische Generalstab bekannt. Die anderen 211 ukrainischen Kämpfer seien zunächst in einen von russischen Truppen besetzten Ort gebracht worden und sollen bei einem Gefangenenaustausch freikommen. Weiterhin harren Hunderte Soldaten im Stahlwerk aus. An deren Evakuierung werde noch gearbeitet, hiess es am Dienstagmorgen.

Seit Wochen binden die letzten Kämpfer in Mariupol eine grosse Zahl an russischen Truppen, die Kremlchef Wladimir Putin eigentlich bei seiner Ost-Offensive gut gebrauchen könnte. Denn die stockt gewaltig.

Loyalität statt Kompetenz – das rächt sich nun

Warum Putins Krieg gegen die Ukraine nicht so verläuft, wie es sich der Kreml-Herrscher ausmalte, liegt laut Russland-Kennern auch an der Auswahl der Personals. Die jahrelange Strategie, wichtige Beraterposten mit loyalen Verbündeten statt mit kompetenten Profis zu besetzen, führte zu Beginn des Feldzugs in der Ukraine zu groben Fehlern. Die Einschätzung, Kiew falle binnen drei Tagen, dürfte auf diese Weise zu Stande gekommen sein.

Russlands Präsident scheint das Vertrauen in seine Militärs immer mehr zu verlieren. Inzwischen soll er gar einzelne Truppenbewegungen persönlich befehlen. Die britische «Times» zitiert eine westliche Geheimdienstquelle, die Putin und seinen Generalstabs-Chef Waleri Gerassimow beim Mikromanagement des Krieges ertappt haben will:

Wir glauben, dass Putin und Gerassimow an taktischen Entscheidungen auf einer Ebene beteiligt sind, die wir normalerweise von einem Oberst oder Brigade-Kommandanten erwarten würden.

Demnach erteile Putin höchstpersönlich Befehle für Einheiten, die gerade einmal 700 bis 1000 Soldaten umfassen. Laut den Quellen der «Times» zeige Putins Eingreifen bereits Wirkung – allerdings anders, als vom Kremlchef erhofft: Seine Interventionen seien mit ein Grund, warum die Offensive ins Stocken geraten sei.

In der Tat läuft die Operation im Osten der Ukraine alles andere als rund. Bei Charkiw konnten die Ukrainer die russischen Angreifer gar über die Grenze in deren eigenes Staatsgebiet zurückdrängen. Ein symbolträchtiger Erfolg, zu dem den Soldaten Präsident Wolodimir Selenski persönlich gratulierte.

Die holpernde Offensive biete mittlerweile auch im Nato-Hauptquartier Anlass für Optimismus: Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte über die russische Armee zuletzt: «Es ist ihnen nicht gelungen, Kiew einzunehmen. Sie ziehen sich aus der Region um Charkiw zurück und ihre wichtigste Offensive im Donbass ist festgefahren.» Russland erreiche seine strategischen Ziele somit nicht. Und mehr noch:

Die Ukraine kann diesen Krieg gewinnen.

Das beunruhigt auch die russische Elite. Es tun sich Risse auf: Inzwischen wird selbst im russischen Fernsehen über die gravierenden Folgen des Kriegs gesprochen. Der Militäranalyst Mikhail Khodarenok, ein Oberst im Ruhestand, sagte in einer Talkshow offen: «Die Situation für uns wird wird noch schlechter werden.» Russland befinde sich bereits in totaler geopolitischer Isolation. Die Situation sei «nicht normal».