Nach dem Ja zur Burka-Initiative: Aargau begrüsst Verhüllungsverbot im Gesetz, sieht aber Probleme bei der Durchsetzung
Am 7. März 2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung die sogenannte Burka-Initiative mit einem Ja-Anteil von 51,4 Prozent angenommen. Im Aargau fand das Volksbegehren, das vom Egerkinger Komitee lanciert worden war, mit 53,6 Prozent Ja-Stimmen noch deutlicher Zustimmung. Um das Vermummungsverbot umzusetzen, schlägt der Bundesrat einen neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch vor. Dieser soll so lauten: «Wer sein Gesicht an öffentlichen oder privaten Orten verhüllt, die der Allgemeinheit zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Nutzung offenstehen, wird mit Busse bestraft.»
Der Aargauer Regierungsrat begrüsst diese Umsetzung der Initiative und hält fest, dass es im kantonalen Polizeigesetz seit dem 1. Juli 2021 eine ähnliche Regelung gibt. Demnach können Personen gebüsst werden, «die sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen und Demonstrationen oder bei sonstigen Menschenansammlungen auf öffentlichem Grund durch Vermummung unkenntlich machen». Damit könnten im Aargau heute vermummte Anhänger bei einem Fanmarsch gebüsst werden – dies war vor der Anpassung des kantonalen Gesetzes nicht möglich.
Regierung sieht Gefahr der Eskalation, wenn Polizei strikt vorgeht
Die Formulierung des Bundesrats für die nationale Regelung geht indes noch weiter und würde dazu führen, dass eine Anzeige wegen Vermummung zum Beispiel auch in einem Fussballstadion möglich ist. Der Regierungsrat hält fest, dass sich die Gefahr von Ausschreitungen beträchtlich erhöhe, wenn sich Vermummte unter Demonstrierenden oder Fangruppen befinden. «Zudem sind es oft Vermummte, die als Teil einer Gruppierung auftreten, welche zu Gewaltanwendung und Sachbeschädigungen neigen», schreibt die Regierung.
Bei der Durchsetzung des Vermummungsverbots in der Praxis gebe es allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Für die Polizei kann ein Dilemma entstehen: Einerseits hat sie die Verpflichtung, das Verbot durchzusetzen, andererseits besteht die Gefahr einer Eskalation, wenn die Polizei gegen Vermummte einschreitet. Der Regierungsrat schreibt:
«Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip wird eine Abwägung vorgenommen, wobei bei grossen Demonstrationen und Sportanlässen das Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung gegenüber einer Intervention bei Vermummten, welche keine weiteren Straftaten begehen, oftmals höher gewichtet wird.»
Zudem sei es für die Polizeikräfte sehr schwierig, den Nachweis einer Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot zu erbringen, weil die Identität der Täterschaft schwer festzustellen sei. Erschwerend komme hinzu, «dass regelrechte Uniformierungen in den Fanszenen bestehen». Eine mögliche Lösung sieht die Regierung in Videoaufnahmen, um Vermummte zu identifizieren und im Nachhinein zu sanktionieren.
Verbot der Gesichtsverhüllung «soll auch symbolische Bedeutung haben»
Der Regierungsrat schreibt weiter, die Einsatzkräfte sollten sich schwergewichtig auf die Verhinderung von Sachbeschädigungen und Gewaltanwendung ausrichten. Weil die Vermummung rechtlich nur als Übertretung gilt, ist sie auch kein Grund für eine Festnahme. Wenn ein vermummter Fan oder Demonstrant keine weiteren, schwerwiegenderen Verstösse begeht, dürfte die Polizei die Person demnach nicht festnehmen.
Trotz dieser Vorbehalte unterstützt der Regierungsrat die vorgeschlagene Verankerung des Verhüllungsverbots im Strafgesetzbuch. Für vermummte Personen, die das Ziel haben, anonym Straftaten zu begehen oder sich der Strafverfolgung zu entziehen, dürften keine rechtsfreien Räume geschaffen werden. «Die Verankerung des Verbots zur Gesichtsverhüllung soll also auch eine symbolische Bedeutung haben», schreibt die Regierung.
Weiterhin keine Meldungen von Burkaträgerinnen im Aargau
Rein symbolisch ist das Verhüllungsverbot im Aargau, wenn es um Burkaträgerinnen geht. «Allenfalls wäre es möglich, dass sich Touristinnen aus arabischen Ländern nicht an das Verhüllungsverbot halten würden. Bisher ist aber keine solche Meldung im Kanton bekannt», hält die Regierung dazu fest.
Die Vollverschleierung sei im Aargau kaum Thema und es sei nicht anzunehmen, dass dieses Phänomen «mit Flüchtlingen übermässig zunehmen wird». Aus den Ländern, wo die Burka getragen wird, kämen explizit Personen in die Schweiz, die sich mit den extremen religiösen Bräuchen nicht abfinden möchten, schreibt die Regierung.