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Im Pendlerzug oder im vollen Pub: Eine kleine Geschichte des Mithörens – und eines gestohlenen Rucksacks voller Geheimakten

Ein Mitarbeiter des Armeestabs führt in einem vollen Zugwaggon zwischen Bern und Zürich lautstarke Gespräche über Putins Strategie in der Ukraine und lästert über Verteidigungsministerin Amherd. Es ist nicht das erste Mal, dass der unvorsichtige Umgang mit brisanten Inhalten für Schlagzeilen sorgt. Eine Übersicht.

Die Armee prüft ein Disziplinarverfahren oder personalrechtliche Massnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung gegen einen Mitarbeiter des Armeestabs in leitender Funktion. Dieser hatte im April in einem vollen Zug vor anderen Passagieren Telefongespräche über möglicherweise klassifizierte Inhalte geführt – und sass dabei direkt neben einem Journalisten. Es ist nicht das erste Mal, dass solche oder ähnliche Situation für Schlagzeilen sorgen, wie die folgenden drei Beispiele zeigen.

Zuhören erlaubt: Blocher nimmt Einfluss auf die BaZ-Redaktion

Im Mai 2012 berichtete die Zeitung «Der Sonntag», aus der die «Schweiz am Wochenende» hervorgegangen ist, von einem Gespräch zwischen den damaligen Nationalräten Christoph Blocher (SVP) und Filippo Leutenegger (FDP) in einem voll besetzten Zug zur Stosszeit. Ein zufällig anwesender Journalist wurde zum «Zwangszuhörer» und berichtete, dass sich Blocher als damaliger Eigentümer der «Basler Zeitung» (BaZ) mit dem damaligen BaZ-Verwaltungsratspräsident Leutenegger (Bild) über Personalia unterhielt. Blocher empfahl, einen Redaktor «zu fördern», einen anderen «zurückzubinden».

Aufgrund einer Einsprache befasste sich der Schweizerische Presserat mit dem Fall. Er urteilte, dass die Zeitung damit keine unlauteren Methoden eingesetzt habe. «Wer in einem Zug mit anderen Passagieren sitzt und zufällig Gespräche von Mitpassagieren mithört, ist nicht verpflichtet, sich als Journalist vorzustellen». Eine Veröffentlichung sei plausibel, wenn der Gesprächsinhalt wie im vorliegenden Fall von öffentlicher Relevanz sei.

Unvorsichtig, aber freigesprochen: Ein Staatsanwalt lästert im Pub

Am 23. März 2012 erzählte der Zürcher Oberstaatsanwalt Martin Bürgisser im «Horse Pub» in Bülach ZH (Bild) zwei Bekannten, dass die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Affäre um Ex-Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand bald die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Christoph Blocher beantragen werde. Danach soll Bürgisser sich despektierlich über Blocher geäussert haben und für den Fall von «Blochers Sturz» auch das Ende von SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli herbeigesehnt haben.

Indiskretion eines Staatsanwalts: Blick auf das «Horse Pub» in Bülach ZH.
Google Street View

Am Nebentisch sass SVP-Kantonsrat Claudio Schmid, der Mörgeli über den Gesprächsinhalt informierte. Doch das Bundesgericht trat in oberster Instanz nicht auf Mörgelis Beschwerde ein, da die Informationen zum Verfahren gegen Blocher zum Zeitpunkt des abgehörten Gesprächs im «Horse Pub» bereits medial bekannt gewesen seien.

Rucksack gestohlen: Laptop weg, Geheimakten tauchen wieder auf

In seiner ersten Woche als Mitglied der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments wurde dem damaligen Genfer Nationalrat Ueli Leuenberger (Grüne) am 7. März 2013 im Zug ein Rucksack mit Unterlagen gestohlen. Die GPDel übt die politische Oberaufsicht über den Staatsschutz und die Nachrichtendienste aus. Sie wird unter anderem über die Lageeinschätzung des bundesrätlichen Sicherheitsausschusses, nachrichtendienstliche Operationen oder laufende Verfahren der Bundesanwaltschaft im Bereich des Staatsschutzes informiert.

Kaum im Amt, schon bestohlen: Ex-Nationalrat Ueli Leuenberger (Grüne).
Marcel Bieri / KEYSTONE

Die als «vertraulich» klassierten Akten aus Leuenbergers Rucksack wurden wenige Tage später auf einem Polizeiposten abgegeben – vollständig, aber durchnässt. Angeblich aus dem Rucksack gestohlen wurden laut NZZ hingegen ein Laptop sowie Geld.