«Auf der Fahrt kommt man ziemlich ins Schwitzen»: Die besondere Geschichte des Haferflöckli-Oldtimers
Dass es am Freitagabend auf den Strassen in der Region Muri stockt, ist normal. In dieser Woche wird der Verkehr aber noch langsamer fliessen. Doch wird er wohl an mancher Strassenecke für Begeisterung sorgen. Verursacht wird er nämlich von Fahrzeugen, die man nicht alle Tage sieht.
27 Oldtimer-Lastwagen und alte Busse werden im Konvoi durchs Freiamt ziehen. Hier führt die Route der sechsten Aargauer Abendausfahrt hin. Die Teilnehmenden starten um 17.15 Uhr in Brugg und fahren von da aus über Lupfig und Mellingen bis nach Muri, dort um den Kreisel und nach Boswil.
Organisiert wird der Anlass jeweils von Roman Porta und Andi Lüscher. Die Teilnehmenden kommen fast alle aus dem Aargau. Drei von ihnen restaurieren solch alte Lastwagen seit vielen Jahren in ihrer Werkstatt in Hilfikon. Urs Hegglin, Geri Meyer und Stefan Engel sind regelmässig auf der Ausfahrt dabei.
«Es ist immer schön, sich mit Gleichgesinnten zu treffen und nach der Fahrt zu fachsimpeln», so Meyer. «Genau, es sind alles so Spinner wie wir», lacht Engel. Teilnehmen werden sie mit ihrem knallorangen Transporter aus dem Jahr 1942. Zu ihm gibt es eine spezielle Geschichte zu erzählen.
Sie bestaunten den Lastwagen schon als Buben
«Kraft durch Gusto Hafer Flöckli» steht auf dem alten Transporter der Marke Berna. Geri Meyer und Urs Hegglin haben ihn bereits gekannt, als sie noch Buben waren. «Er fuhr für die Dambach-Mühle in Villmergen, wo wir aufgewachsen sind», erzählt Meyer. 1970 hatte er ausgedient und wurde in eine Scheune gestellt. «28 Jahre später hatten wir das Glück, ihn kaufen zu können», so Meyer.
Gemeinsam restaurieren sie seit über 20 Jahre alte Lastwagen. Im Verlaufe der Zeit stiess auch Stefan Engel aus Schafisheim dazu. Gemeinsam haben sie den Gusto-Transporter wieder auf Vordermann gebracht. «Keine Schraube haben wir dran gelassen», so Hegglin. Sieben Jahre hätten sie benötigt – und seien dabei keine Kompromisse eingegangen.
So hätten sie den Schriftzug und das Logo mit Ölfarben handgemalt, obwohl es einfacher gewesen wäre, die Schrift zu kleben. Eine kurze Ausfahrt zeigt, dass auch in der Führerkabine nichts modernisiert wurde.
Die Heizung braucht es hier drin nicht
«Wir müssen noch auftanken, damit wir für Freitag parat sind», sagt Meyer, während er sich hinters Steuer setzt, das sich auf der rechten Seite befindet. Engel zeigt von aussen lachend auf die Heizung. «Die haben wir noch nie gebraucht. Auf der Fahrt kommt man ziemlich ins Schwitzen.»
Nach wenigen Minuten ist klar wieso. Um das grosse Gefährt zu lenken, muss Meyer kräftig am Steuer drehen. Dazwischen wird gekuppelt, was bei einem Getriebe von 1942 nicht so locker geht.
«Es ist unsynchronisiert. Beim Schalten müssen Touren und Geschwindigkeit stimmen. Sonst geht der Gang nicht rein.» Es gibt vier Gänge, die alle halbiert sind. «Vom Handling her ist das Fahren wie mit einem Auto, das Lenken geht relativ ring. Aber man muss den Kopf bei der Sache haben», so Meyer.
20 Liter Diesel auf 100 Kilometer werden verbraucht
Unterwegs winken ihm andere Chauffeure zu, als er zur Tanksäule einlenkt, drehen Passantinnen und Passanten den Kopf. Geri Meyer zieht Handschuhe an und schraubt den Tankdeckel auf. «20 Liter Diesel auf 100 Kilometer braucht er», erklärt er. Als das Fahrzeug im Zweiten Weltkrieg Lebensmittel transportiert hatte, wurde es noch mit einem Holzvergaser betrieben.
81 Jahre alt ist der Oldtimer nun. Der runde Geburtstag wurde speziell gefeiert. Weil er früher oft für Lieferungen ins Tessin gefahren sei, hätten sie mit ihm diese Route wiederholt. «Weil es damals weder Tunnel noch ebene Passstrasse gab, sind wir mit ihm über die Kopfsteinpflaster-Tremola gefahren», so Engel. Hegglin lacht: «Der Lastwagen hatte damit keine Mühe, er hat sich sofort zu Hause gefühlt.» Das wird er bestimmt auch auf der Aargauer Abendausfahrt durch seine alte Heimat.