Bundespräsident Cassis trägt neu FFP2 – führt das zu einem Umdenken in der Maskenfrage?
Als Bundespräsident Ignazio Cassis am Montag mit seinem Weibel und seinem persönlichen Mitarbeiter das Bundeshaus verliess, war etwas höchst ungewöhnlich: Alle drei trugen eine FFP2-Maske.
Höchst ungewöhnlich ist das, weil die offizielle Schweiz die FFP2-Maske bisher verbal auf Distanz hielt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt sie nur im Einzelfall. Und in der Regierung trägt nur ein einziges Bundesratsmitglied konsequent die Atemschutzmaske: Verteidigungsministerin Viola Amherd.
Dass Cassis als Bundespräsident dies nun zumindest teilweise auch tut, hat Symbolwirkung. Denn Cassis ist auch Arzt. Er weiss, dass eine FFP2-Maske deutlich besser schützt als eine herkömmliche medizinische Maske. Das ist umso wichtiger, als Omikron bis zu dreimal ansteckender ist als Delta.
Cassis setzt in internen Sitzungen oft die FFP2-Maske auf
Es sind auch Covid-Infektionen im engeren beruflichen Umfeld von Cassis, die den Bundespräsidenten sensibilisiert haben. Er trägt zunehmend eine Atemschutzmaske, wenn er etwa über längere Zeit mit mehreren Personen in einem geschlossenen Raum sitzt – wie am Montag, als er zu Gast war in der aussenpolitischen Kommission des Ständerats. Auch in internen Sitzungen setzen Cassis und sein Umfeld vermehrt FFP2-Masken auf, obwohl keine Anweisung dazu existiert.
Cassis trugt die FFP2-Maske aber auch am 50-Jahr-Jubiläum der Internationalen Bodensee-Konferenz auf dem Säntis. Er trat dort mit der Atemschutzmaske vor die Medien – eine FFP2-Maske war Pflicht für diese Pressekonferenz.
Für die Treffen in Berlin gilt FFP2-Maskenpflicht
Im Ausland müssen die Bundesräte immer wieder FFP2-Maske tragen. Das wird auch am Donnerstag in Berlin der Fall sein, wenn Bundespräsident Cassis die Spitze der deutschen Politik trifft: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzler Olaf Scholz und Aussenministerin Annalena Baerbock.
Als Cassis am 13. Januar in Wien Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka traf, setzte er sich ebenfalls eine Atemschutzmaske auf. FFP2 ist Pflicht in Österreich.
Gilt bei Staatsbesuchen freie Maskenwahl, trägt die Schweizer Delegation jeweils die weissen Masken mit Schweizer Kreuz, die das Aussendepartement (EDA) eigens anfertigen und homologieren liess. Ignazio Cassis ist oft mit der Schweizer-Kreuz-Maske zu sehen. Aber auch Guy Parmelin trug sie, als er im November 2021 als Bundespräsident nach Washington reiste.
Viola Amherd ist persönlich sehr vorsichtig
Bereits seit geraumer Zeit trägt Viola Amherd konsequent FFP2-Masken. Das belegen Fotos währen der Wintersession, in der sie stets mit Atemschutzmaske zu sehen ist. «Wir kommentieren dies nicht», sagt Lorenz Frischknecht, Sprecher des Verteidigungsministeriums (VBS). «Es ist der persönliche Entscheid von Bundesrätin Amherd, welche Maske sie trägt.»
Auch auf dem neusten Gruppenbild aller Bundesräte im Sitzungszimmer ist Amherd als einzige Bundesrätin mit FFP2-Maske zu sehen. Vizekanzler Viktor Rossi trägt aber ebenfalls die Atemschutzmaske.
Die Sportministerin verzichtete auf den Besuch des Lauberhorn-Rennens
Amherd war in den zwei Jahren Pandemie immer wieder aufgefallen als Verfechterin harter Massnahmen. Konsequenterweise tritt sie auch persönlich entsprechend vorsichtig auf. So verzichtete sie auf den Besuch des Lauberhorn-Rennens in Wengen, wie Nau.ch berichtete.
«Die Lage mit Covid-19 ist weiterhin schwierig und Kontakte sollen gemieden werden», sagt VBS-Sprecher Frischknecht. Amherd habe zwar die Booster-Impfung erhalten. «Sie will aber dazu beitragen, dass möglichst niemand gefährdet wird. Aus diesem Grund hat sie ihre Teilnahme am Lauberhorn-Rennen abgesagt.»
In dieser Logik überrascht es deshalb auch nicht, dass Oberfeldarzt Andreas Stettbacher der Armee ein FFP2-Maskenobligatorium verfügt hat. Doch auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) empfiehlt in einem Merkblatt in gewissen Situationen FFP2-Masken bei der Arbeit.
Ueli Maurer gilt als Maskenmuffel
Das Seco ist Guy Parmelin unterstellt, der konventionelle medizinische Masken trägt, genauso wie Alain Berset, Simonetta Sommaruga, Karin Keller-Sutter und Ueli Maurer. Letzterer gilt im Bundesrat am ehesten als Maskenmuffel. In den Strassen von Bern sieht man ihn immer ohne Maske, im Zug trägt er sie aber, wie es Pflicht ist.
In den Umfeldern der Bundesratsmitglieder gibt es aber einen Trend hin zu FFP2-Masken. Die engsten Mitarbeitenden wollen ihre Chefs schützen.
Das BAG selbst bleibt aber nach wie vor zurückhaltend gegenüber den Atemschutzmasken. «In Alltagssituationen schützen chirurgische Masken genügend», schreibt es, fügt jedoch immerhin an: «Wer sich aber durch das Tragen einer FFP2-Maske sicherer fühlt, kann das jederzeit tun.»
Dafür, betont das BAG gebetsmühlenartig, müsse die Atemschutzmaske aber richtig getragen werden: Sie müsse jederzeit eng am Gesicht anliegen.
Der Wendepunkt in der «Maskenideologie»
Zu einem Wendepunkt kam es aber am Point de Presse vom 28. Dezember. Da wurde die FFP2-Policy – viele sprechen eher von Ideologie – sanft verschoben, wie folgender Dialog vor den Medien zeigte.
Rudolf Hauri, Kantonsarzt: «Bei unvermeidlichen, engen Kontakten auf kleinem Raum – etwa in kleineren Fahrzeugen – kann das freiwillige, aber richtige Tragen von FFP2-Masken von Vorteil sein.»
Tanja Stadler, Task-Force-Chefin: «Eine FFP2-Maske ist um ein Vielfaches sicherer. Das zeigen Labor-Untersuchungen. (…) In sehr engen Innenräumen mit sehr vielen Personen und schlechter Lüftung hat man ein erhöhtes Risiko. Da hat die FFP2-Maske einen Mehrwert.»
Patrick Mathys, BAG: «Wenn ich als Person mein Risiko nochmals reduzieren möchte, kann es Sinn machen, FFP2-Maske zu tragen. Sie muss dann aber auch richtig getragen werden.»
Rudolf Hauri: «Wie ich es gesagt habe: In gewissen Situationen und korrekt getragen.»
Es war der bisher letzte Point de Presse, an dem ein Mitglied der Taskforce – Stadler – mit medizinischer Maske auftrat. Vizepräsidentin Samia Hurst und Taskforce-Mitglied Alain di Gallo hatten am 4. Januar genauso eine Atemschutzmaske auf wie Präsidentin Tanja Stadler am 11. Januar. Da trug auch Korpskommandant Hanspeter Walser FFP2-Maske.
Am 3. Januar war nämlich die Taskforce in ihrer aktuellen Lagebeurteilung zum Schluss gekommen, dass FFP2-Masken im Alltagsleben das Ansteckungsrisiko um das 70fache reduzieren. Das wies eine Untersuchung der Max-Planck-Gesellschaft nach. Sie zeigte: Bei einer medizinischen Maske liegt das Infektionsrisiko im Alltag bei 0,1 bis 1 Prozent, bei einer FFP2-Maske bei 0,001 bis 0,014 Prozent.
Trotzdem bleibt das BAG vorläufig bei seinen Empfehlungen. «Im Moment ist keine Anpassung vorgesehen», schreibt es auf Anfrage. Dabei wird es von Gesundheitsminister Alain Berset gestützt. Die FFP2-Maskenpflicht in Österreich lasse den Nachbar nicht wirklich viel besser dastehen als die Schweiz, lautet der Tenor im Innendepartement.
Nur: Am 17. Januar hatte Österreich laut SRF eine 7-Tages-Inzidenz von 1720 Ansteckungen pro Million Einwohner. Dieselbe Schweizer Zahl lag aber fast doppelt so hoch – bei 3090 Ansteckungen.