
Ein klares «Jein» zur Heiratsstrafe: Der Bundesrat druckst um Steuern und AHV-Plafonds herum
Vordergründig geht es um die Liebe, vor allem aber ums Geld. Gleich an zwei Medienauftritten beschäftigte sich der Bundesrat gestern mit der Ehe, genauer: mit der Heiratsstrafe.
Dass es eine solche in der Schweiz gibt, hat das Bundesgericht vor mehr als 40 Jahren festgehalten: Ehepaare werden heute gemeinsam besteuert, wegen der Progression müssen sie mehr an den Staat abgeben als unverheiratete Paare. Ungefähr gleich lange streitet sich die Schweizer Politik darüber, wie diese zu beseitigen sei. Die Lage ist vertrackt, wie am Freitag einmal mehr deutlich wurde.
Zunächst nahm Finanzministerin Karin Keller-Sutter Stellung zu einer Initiative der Mitte-Partei, wonach die finanzielle Benachteiligung von Eheleuten bei der direkten Bundessteuer abzuschaffen sei. Die Initiative will in der Verfassung festschreiben, dass die Einkommen von Ehepaaren in der Steuererklärung weiterhin zusammengerechnet werden, ohne allerdings durch die Steuerprogression gegenüber Unverheirateten ins Hintertreffen zu geraten – eine genaue Umsetzung überlässt sie dem Parlament.
Dieses beschäftigt sich aber gerade mit einem umgekehrten Ansatz: der Individualbesteuerung. Auch diese würde die Heiratsstrafe abschaffen, allerdings müssten Verheiratete dann jeweils zwei Steuererklärungen einreichen. Dagegen wehren sich insbesondere Konservative, weil es das Institut der Ehe angreift. Die Eintretensdebatte verlief im Ständerat mit 23 zu 22 äusserst knapp; über die genaue Ausgestaltung wird im Stöckli am kommenden Montag weitergestritten.
«Hilft der Gleichstellung»
Der Bundesrat bevorzugt dessen unbesehen die Individualbesteuerung, ihrerseits ein Gegenvorschlag zu einer Initiative der FDP Frauen. Diese würde nicht nur Zivilstandsunabhängigkeit bei der Besteuerung herstellen, sie fördere auch die Erwerbstätigkeit von Frauen, argumentierte Keller-Sutter. Dies helfe der Gleichstellung.
«Diese Form der Besteuerung trägt der gesellschaftlichen Entwicklung am besten Rechnung», sagte die Finanzministerin vor den Medien. Der Bundesrat lehnt die Mitte-Initiative auch deshalb ohne Gegenvorschlag ab, weil er dem Parlament nicht zwei sich widersprechende Gesetzesentwürfe vorlegen kann. Der Grundton war aber klar: «Wir sind uns einig, dass die Heiratsstrafe abgeschafft gehört.»
Vorbei schienen da die Zeiten, in denen ein Ernährer das Geld nach Hause bringt, während die Frau den Haushalt bestellt. Zumindest auf der Einnahmeseite des Bundes.
Blöd nur, dass die Mitte eine zweite Initiative eingereicht hat, und diese betrifft die Heiratsstrafe in der AHV – also die Ausgabenseite des Bundes.
Die AHV oder das Ende des Gleichstellungsseminars
Heute darf die Summe der Einzelrenten eines Ehepaares höchstens 150 Prozent der Maximalrente betragen, konkret also 3780 Franken für Personen, die immer in die AHV einbezahlt haben. Wer in einem Konkubinat lebt, hat hingegen Anspruch auf die vollen 200 Prozent. Die Differenz kann monatlich bis zu 1225 Franken betragen.
Hier endet das Gleichstellungsseminar des Bundesrats. Nur eine Stunde nach Keller-Sutters Plädoyer für die Zivilstandsunabhängigkeit war es an Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider, zu erklären, dass die Ehe ja immer noch viele Vorteile gegenüber dem Konkubinat beinhalte – und eine Aufhebung des Rentenplafonds deshalb nicht infrage komme.
Der Bundesrat lehnt auch diese Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Damit ergibt es zumindest aus Rentenoptik für Verheiratete weiterhin keinen Sinn, wenn beide Eheleute arbeiten.
Der Grund ist allerdings handfester als die (immer kleiner werdenden) Renten-Vorteile, die Eheleute bei Tod oder Scheidung geniessen: Es sind die Kosten. «Eine Annahme der Initiative würde zu einer Erhöhung der jährlichen AHV-Ausgaben von rund 3,6 Milliarden Franken im Jahr 2030 und rund 4,1 Milliarden Franken im Jahr 2035 führen», rechnete Baume-Schneider vor.
Schon eine Erhöhung des Plafonds auf 170 Prozent hätte Mehrkosten von rund 2,4 Milliarden Franken im Jahr 2030 und 2,75 Milliarden Franken im 2035 zur Folge, ist der Botschaft des Bundesrats zu entnehmen. Geld, das der AHV nicht nur aufgrund der 13. Monatsrente nicht zur Verfügung steht.