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Von der Schafottrede zur letzten Illustrierten

Band 86 der «Heimatkunde Wiggertal» ist erschienen – darin wird unter anderem auch die Geschichte der Ringier-Druckerei in Zofingen nachgezeichnet.

Ringer machte in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Online-Marketing und Digitalisierung von sich reden, wird aber als «Blick»-Verlag von vielen immer noch mit Boulevard-Journalismus und grossen Bildern in Verbindung gebracht. Dies greift der Publizist Karl Lüönd in seiner Geschichte der Ringier-Druckerei in Zofingen auf, welche im eben erschienenen Jahrbuch der Heimatkunde Wiggertal erschienen ist.

Er erinnert daran, dass Johann Rudolf Ringier nach der Gründung seiner Druckerei 1833 mit gedruckten Standreden erfolgreicher war als mit dem von ihm gedruckten «Zofinger Wochenblatt». Diese Ansprachen hielt ein Geistlicher jeweils nach einer Enthauptung auf dem Schafott. Da sie neben christlichen Belehrungen die schauerlichen Missetaten der Verurteilten ausschmückten, fanden sie beim Publikum reissenden Absatz. Lüond sieht in ihnen die Anfänge der Boulevardpresse der Schweiz.

Technische Entwicklung nachgezeichnet

In seinem Beitrag erzählt der Publizist die Geschichte der Ringiers und der Druckerei im zeitgenössischen Kontext von Zofingen, zeichnet aber auch detailliert die technische Entwicklung in der Branche nach – und die Bemühungen von Ringier, mit ihr mitzuhalten, auch um einen guten Bilderdruck zu gewährleisten.

Den grossen Wert von Bildern erkannte schliesslich Paul August Ringier, der auf Illustrierte setzte und den Verlag in dritter Generation weit über die Region hinaus bekannt und bedeutsam machte. Die 1990er Jahre, als Ringier in Zofingen 1300 Mitarbeitende beschäftigte, rekapituliert Lüönd ebenso wie den Schliessungsentscheid der Druckerei. Sein Essay mit dem Untertitel «Wirtschaftlichkeit ist stärker als Tradition» schliesst mit dem Versprechen von Verleger Michael Ringier, dass Zofingen auch in Zukunft Hauptsitz des Medienkonzerns bleiben werde.

Besuchstag bei der Artillerie in Egolzwil anno 1915. Im Jahr 1922 kam es in der Wauwilerebene zu einem Schiessunfall, bei dem die 58-jährige Bäuerin Katharina Häberli getötet wurde.
Bild: E. Goetz, Luzern

Als in St. Urban Operetten aufgeführt wurden

Die Schliessung der Druckerei Ringier – respektive von Swissprinters – ist nur einer von vielen Wiggertaler Themen, welche 25 Autorinnen und Autoren auf den 240 Seiten des Band 86 ausbreiten. Die Geschichte der Wurstspezialität «Dagmersellerli» ist darin ebenso zu finden wie der Aufstieg des Gourmet-Kochs Silvio Germann, das Porträt einer «Muniflüstererin», ein Artillerie-Schiessunfall, die einstige Angst vor einem «Waffenplatz Napf» sowie die Historie des Jazz Festivals Willisau und der Gemeindefusionen im Wiggertal. Ein weiteres Thema ist das barocke Schultheater im Kloster St. Urban, wo einst auch Operetten zur Aufführung gelangten.

In der Zeit reichen die Beiträge bis zu 2200 Jahre zurück: So schreibt etwa der Archäologe Matthias Raaflaub von der lange vermuteten und nun entdeckten keltischen Siedlung im Wauwilermoos. Die Funde lassen die Vermutung zu, dass es im Dorf einst gebrannt hatte. Für die damalige Gemeinschaft war das fatal, für Archäologen des 21. Jahrhunderts hingegen ein Glücksfall: Die im Boden konservierten Spuren des Brandes erlauben ihnen, dem Alltag jener Zeit näherzukommen. (pd/mam)

Hinweis

Der Heimattag der «Heimatvereinigung Wiggertal» – Herausgeberin der «Heimatkunde» – findet dieses Jahr am 30. November ab 13 Uhr im Buttisholzer «Moos-Stöbli» statt (Gewerbezone 59).

So könnte die keltische Siedlung im Wauwilermoos einst ausgesehen haben. Der Pegel des Sees ist nicht bekannt. 
Bild: Joe Rohrer