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Vor dem Tsunami der Digitalisierung

1990er-Jahre Als der erste WWW-Browser auf den Markt kam, waren die Themen des ZT noch in der analogen Welt verwurzelt – das Gadget der Stunde war der Fax.

Gerne hätten wir in Erfahrung gebracht, wann der Begriff Internet zum ersten Mal im Zofinger Tagblatt auftaucht. Leider ein aussichtsloses Unterfangen: Für eine Volltextsuche braucht es ein Digitalarchiv – das gibt es für das ZT erst seit Anfang 2002.

Ende 1993 wussten die meisten Menschen in der Schweiz noch nicht, was sie mit dem Wort Internet verbinden sollten. In der Anfangsphase war deshalb in journalistischen Texten oft eine Kurzerklärung dabei. Etwa so: «Das Internet, das weltumspannende Computernetz …»

Dieser Text stammt aus der Sonderbeilage «150 Jahre Zofinger Tagblatt» vom 1. Februar 2023, in der jeweils ein Ereignis aus jedem Jahrzehnt seit der ersten Ausgabe des ZT vertieft betrachtet wird.

Einer der Meilensteine und Brandbeschleuniger der Digitalisierung war die Bereitstellung eines Tools, mit dem man in diesem «weltumspannenden Computernetz» bequem herumsurfen konnte. Der erste Browser, der es zu grosser Popularität brachte, hiess Mosaic. Bereitgestellt wurde er am 11. November 1993, nur einen Tag später begann er auf Windows-Computern zu laufen und trat den Siegeszug um die Welt an. Der Name Mosaic war in den Jahren 1993 und 1994 das Synonym für Webbrowser schlechthin. Der Entwickler, der Unternehmer Marc Andreessen, lancierte später den Netscape Navigator. Dieser lösten den Mosaic rasch als führenden Browser ab.

Auskunftsdienst 111 mit Computerstimme

Während Mosaic der Welt das Tor zum World Wide Web zu öffnen begann, waren die Themen im ZT noch fast gänzlich in der analogen Welt verwurzelt. Anfang November 1993 etwa berichtete die Zeitung über eine «Revolution in der Fotobranche». Der US-Kopiergerätehersteller Xerox Corp. habe einen neuen Film entwickelt, der die Fotobranche revolutionieren könnte. Das Produkt sei umweltfreundlich und mache verschiedene Chemikalien überflüssig. Mit entsprechenden Filmen für Fotoamateure könnte Xerox auch Grosskonzernen wie Kodak Konkurrenz machen, mutmasste das ZT. Man merkt: Der Tsunami der Digitalisierung, der wenig später über die Fotobranche hinwegfegen sollte, war noch weit weg – und die Durchdringung des Alltags mit Computern stand erst am Anfang. «Anrufer auf die Nummer 111 müssen bereits ab 1994 damit rechnen, die gewünschte Telefonnummer durch eine Computerstimme zu erhalten», schrieb das ZT ebenfalls im November 1993. Die neue Technologie werde in Deutschland und den USA bereits erfolgreich angewandt.

Polizei tippt 1,8 Mio. Seiten an Schreibmaschinen

Nur wenige Tage später folgte ein Bericht über das geplante Informatik-Projekt «Rapol» der Kantonspolizei Aargau unter dem Titel «Computer kann Zeitgewinn bringen». Kostenpunkt: 8,15 Millionen Franken. 1,8 Millionen A4-Seiten Dokumente würden Polizeibeamte jedes Jahr an der Schreibmaschine schreiben. «Ein Rapol-­Arbeitsplatz kann einem Polizeibeamten ganz oder teilweise mehrere heutige Arbeitsgeräte wie Schreibmaschine, Karteien, Agenda, Notizbuch und Telex oder Telefax ersetzen.» Vom Internet ist noch nicht Rede, das ist dann erst der nächste Schritt – die Arbeitsplätze seien allerdings über ein «kantonsweites Datennetz der Polizei auf PTT-Mietleitungen miteinander verbunden».

Und was heute das iPhone 14 Pro Plus ist, war in der Vorweihnachtszeit 1993 das «Olympia Quadrophone» für satte 799 Franken, wie ein Inserat vom 9. Dezember dokumentiert: ein «sehr kompakter Telefon-Fax» mit integriertem Anrufbeantworter, Fernabfrage, Kopierfunktion und LCD-Display. Immerhin schon 26 Nummern konnte das klobige Teil speichern.