Vor der Bundesratssitzung: Berset zögert mit Massnahmen – Kantone pochen auf einheitliche Regeln
Nichts Neues aus dem Bundesrat. Die Regierung wartet trotz steigender Fallzahlen weiter zu. Dem Vernehmen nach wird der Bundesrat an seiner wöchentlichen Sitzung vom Mittwoch über die Coronasituation diskutieren, aber keine Entscheide zu Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus treffen.
Bereits letzte Woche sorgte Gesundheitsminister Alain Berset für Irritationen, als er feststellte, dass die Fallzahlen zwar rasant steigen, dies sich aber nicht in den Zahlen der Hospitalisationen niederschlage. Er kam zum Schluss: «Wir brauchen keine neuen Massnahmen.» Die Regierung sieht offenbar weiterhin keinen Handlungsbedarf, um die Verbreitung des Virus zu bremsen.
Das Nichtstun sorgt auch für Nervosität. Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), rief am Dienstag angesichts der «kritischen Situation» die Bevölkerung dazu auf, einen Beitrag zur Bewältigung der Coronakrise zu leisten. Es sei das Verhalten jedes Einzelnen, das in den kommenden Wochen die Pandemie beeinflussen werde. «Es sind die kleinen Dinge, die wir jetzt tun können.» Dazu gehöre die Impfung, die Reduktion persönlicher Kontakte sowie die Tests bei Krankheitssymptomen. «Es ist nicht viel, das wir jetzt machen müssen, damit wir in einigen Wochen nicht wieder in einer Situation sind, in der wesentliche strengere und einschränkendere Massnahmen zur Eindämmung des Virus eingeführt werden müssen.»
Einige Kantone ziehen die Schraube an
Mathys nahm vorweg, was der Bundesrat bei einer Zuspitzung der Lage doch noch entscheiden könnte. Dazu gehört etwa die 2G-Regel in Restaurants und bei Veranstaltungen, die Homeofficepflicht sowie das Maskentragen in allen Innenräumen.
Wartet der Bundesrat weiter zu, verstreicht wichtige Zeit, denn die Einführung neuer Regeln ist umständlich. Jede Massnahme muss zunächst in die Vernehmlassung zu den Kantonen, bevor der Bundesrat sie anordnen kann. Und weil nächste Woche die Wintersession startet, trifft sich die Regierung erst am übernächsten Freitag wieder.WERBUNG
Müssen die Kantone also in die Bresche springen und den Schutz wieder hochfahren? Der Bund scheint darauf zu wetten.
Tatsächlich bewegen sich die Kantone. Einzelne haben Ende letzter Woche die Massnahmen verschärft. In den beiden Basel gilt eine Zertifikatspflicht für Besuche in Alters- und Pflegeheimen sowie in Spitälern. Nidwalden, wo das Virus unter den Jungen besonders grassiert, hat die Maskenpflicht auf Sekundarstufe eingeführt. Graubünden folgte am Montag mit einer Maskenpflicht für Schüler ab der 3. Klasse. Basel-Stadt und Bern führten sie ab der 5. Klasse ein.
Auch bereiten sich einzelne Kantone auf neue Massnahmen vor. Doch die Situation ist wenig übersichtlich – auch weil einzelne Kantone gewisse Massnahmen schon länger installiert haben. Dazu gehört die Zertifikatspflicht in Heimen, die Zürich schon Anfang Oktober erliess, Schaffhausen kennt sie teilweise seit September. Hingegen haben Thurgau und St.Gallen die Maskenpflicht an Schulen Anfang November wieder abgeschafft.
Wider den Flickenteppich: Kantone verlangen nationales Vorgehen
Für Massnahmen in Schulen sowie Heime und Spitäler liege die Verantwortung bei den Kantonen, erklärte Lukas Engelberger, Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Doch für Massnahmen, die alle Personen betreffen, verlangen die Kantone aber ein übergeordnetes, nationales Vorgehen. Die GDK verweist auf die Erfahrung aus dem letzten Jahr: Kantonal unterschiedliche Massnahmen würden in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stossen, wenn die Fallzahlen schweizweit steigen. GDK-Sprecher Tobias Bär schreibt auf Anfrage: «Man muss deshalb mit Vorlauf auch über weitere nationale Massnahmen diskutieren.» Dann könne man sie ergreifen, wenn sich die Lage weiter zuspitze und es wieder vermehrt zu Verlegungen von Patientinnen und Patienten kommen sollte.
Als hätte man aus dem letzten Herbst nichts gelernt: Das Pingpong zwischen Bund und Kantonen geht von vorne los.