
Schwieriger, Kompromisse zu finden – Deshalb lehnt die Aargauer Regierung öffentliche Besuche ihrer Sitzungen ab
Der Aargauer Regierungsrat teilt Sander Malliens Begeisterung für öffentlich zugängliche Regierungsratssitzungen nicht.Er lehnt den Vorstoss des ehemaligen GLP-Grossrats ab.Dieser hatte in Solothurn eine Sitzung des Regierungsrates besucht und so einen guten Einblick in die Arbeit der Exekutive erhalten, wie er gegenüber der AZ sagt. Die Traktanden wurden in einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil aufgeteilt.
Der Kanton Solothurn ist der einzige Kanton der Schweiz, in welchem die Sitzungen des Regierungsrates besucht werden können. In allen anderen Kantonen finden diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das wollte Mallien nach seinem Besuch ändern und reichte im November zusammen mit Daniel Aebi (SVP), Annetta Schuppisser (GLP) und Manuela Ernst (GLP) eine entsprechende Motion ein.
In dieser schlagen sie vor, die Kantonsverfassung zu ergänzen. Nicht nur die Verhandlungen des Grossen Rats und der Gerichte sollten öffentlich sein, sondern auch jene des Regierungsrats. Dies alles, «soweit schützenswerte private oder öffentliche Interessen nicht entgegenstehen».
Transparenz vs. unabhängige Meinungsbildung
Die vier Ratsmitglieder argumentieren: «Transparenz und vertrauensbildende Massnahmen der Bevölkerung gegenüber sind Gebote der Stunde», und verweisen auf das Öffentlichkeitsprinzip.
Die Forderung nach «Transparenz» lässt der Regierungsrat in seiner Antwort, die nun vorliegt, links liegen. Kein Wort schreibt er dazu. Dass die Sitzungen der Regierung auch weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen sollen, erklärt er in drei Punkten.
Erstens sollen sich die Mandatstragenden sachlich mit der Materie auseinandersetzen und ihre Entscheide möglichst ohne direkte Beeinflussung fällen. Zweitens befürchtet der Regierungsrat, dass die Bereitschaft zu Kompromissen schwinden könnte, würden die Sitzungspositionen öffentlich.
Und drittens erlaube der Ausschluss der Öffentlichkeit, dass an den Sitzungen spontan vorgebrachte Lösungsvorschläge, die vielleicht noch nicht ausgereift sind, durch die Beratung in der Kommission zu einem geeigneten Lösungsvorschlag führen können. «Gerade weil weder die Sitzungen selber noch deren Protokolle öffentlich sind, ist eine offene Diskussion und die Suche nach guten, mehrheitsfähigen Lösungen erst möglich», schreibt der Regierungsrat.
Ratsmitglieder erklärten sich für befangen
Zusätzlich weist die Regierung darauf hin, dass der Aargauer im Solothurner Regierungsrat ein seltener Gast gewesen war. «Von der Möglichkeit, die Sitzungen zu besuchen, wird nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht», schreibt sie und verweist auf die Erhebung des Solothurner Regierungsrates. Diese zeigt: Zwischen Januar 2022 und Juni 2024 besuchten 53 Personen den öffentlichen Teil in den insgesamt 177 Regierungsratssitzungen. Über diese Gäste wird beim Kanton genau «Buch geführt». Das hat Sander Mallien bei seinem Besuch ebenfalls festgestellt.
Sander Mallien sitzt seit diesem Jahr nicht mehr im Grossen Rat. Deshalb musste er weiterhin aktive Ratsmitglieder für seinen Vorstoss gewinnen, was nicht einfach gewesen sei. Viele hätten sich für befangen befunden und wollten dem eigenen Regierungsrat nicht in den Rücken fallen, sagt der ehemalige GLP-Grossrat. Die GLP ist im Regierungsrat nicht vertreten, solche Abwägungen stellten sich für Mallien daher nicht.