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Olympiasiegerin Chiara Leone ist Aargauer Sportlerin des Jahres 2024

Die 26-jährige Sportschützin aus Frick setzte sich bei der Wahl vor Para-Schwimmerin Nora Meister und Kunstturner Matteo Giubellini durch. Es ist für sie ein weiterer Höhepunkt einer verrückten Reise.

Ausgerechnet die Siegerin fehlte an der Aargauer Sportgala. Aber irgendwie passt es ganz gut, dass Chiara Leone derzeit an den Schiess-Europameisterschaften im kroatischen Osijek weilt. Denn genau dort begann im vergangenen Jahr eine verrückte Reise, an deren Ende Leone Olympiasiegerin im Dreistellungsmatch war. Doch dazu später mehr.

Nach Wettingen sind an ihrer Stelle ihre Eltern Monika und Nicola gereist, um den Preis als Aargauer Sportlerin des Jahres für ihre Tochter stellvertretend entgegenzunehmen. Eine Videoschaltung mit Chiara Leone war nicht möglich. Die 26-Jährige meldete bereits vor der Gala, dass sie das in der Vorbereitung auf die Qualifikation am Samstag stören würde.

Das Ranking

1. Chiara Leone, Schiessen (33,7 % der Stimmen). 2. Nora Meister, Para-Schwimmen (17,2 %). 3. Matteo Giubellini, Kunstturnen (16,2 %). 4. Ilaria Olgiati, Para-Badminton (12,0 %). 5. Team Tirinzoni, Curling (10,5 %). 6. Manuel Zehnder, Handball (10,4 %). 

Leone ist die verdiente Siegerin. Mit ihrem Olympiasieg in Paris sorgte sie nicht nur fürdie einzige Goldmedaille der Schweizer Delegation, und das erst noch mit olympischem Rekord. Leone ist gleichzeitig auch die erste weibliche Olympiasiegerin aus dem Aargau, der grundsätzlich nicht reich bestückt ist mit olympischen Goldhelden: 1948 gewann Michael Reusch Gold im Kunstturnen. 1992 und 1994 siegte Donat Acklin im Zweierbob.

Und nun also Chiara Leone, die als Kind eigentlich Skirennfahrerin werden wollte. Und zumindest einen kleinen Bezug zur Skiwelt gibt es. Seit ihrem Olympiatitel wird sievom gleichen Manager betreut wie Marco Odermatt. Rückblickend ist es allerdings ganz gut, dass der Kanton Aargau keine hohen Berge hat und das Skivergnügen somit nicht gleich um die Ecke lag. Sonst wäre der Weg von Chiara Leone vielleicht ganz anders verlaufen.

Ein Flair für das Skifahren hatte Leone durchaus. In einem Interview mit der NZZ sagte sie: «Ich tröstete mich damit, eines der grössten Ski-Talente unter den Flachländerinnen gewesen zu sein. Aber gegen die Berglerinnen hätte ich keine Chance gehabt.» Sportlich ging ihr Weg darum in eine andere Richtung. Weg vom Schnee, dafür hinein in die Schiesshallen.

Die wichtige Rolle des Trainers

Ihr schiessbegeisterter Vater hatte Chiara Leone schon als achtjähriges Mädchen ein erstes Mal mitgenommen. Und sie war fasziniert. Als Neunjährige nahm sie im Rahmen des 1.-August-Schiessens der Fricker Schützen an ihrem ersten Wettkampf teil. Und damit begann eine Erfolgsgeschichte, die 17 Jahre später – dieses Mal am 2. August – eine vorläufige Krönung fand. Und wie die heute 26-Jährige in Paris Gold gewann, war beeindruckend cool. Fast, als brächte sie nichts aus der Ruhe.

Und tatsächlich muss sich Leone vor den Wettkämpfen selbst etwas wecken. Sie macht das, indem sie mit Sprints ihren Puls in die Höhe treibt. Doch das wahre Erfolgsgeheimnis ist ein anderes. Im Schweizer Team der Schützinnen hat sich das Ritual etabliert, dass die Finalistin jeweils direkt vor dem Wettkampf einen Witz erzählt bekommt. In Paris kam dieser von der Teamkollegin per Videobotschaft. Leone erinnert sich: «Der Witz war so schlecht, dass er schon wieder gut war.» Und so lachten sie und Trainer Enrico Friedemann lauthals hinaus. Und verwirrten die Konkurrentinnen.

Überhaupt hat Friedemann einen grossen Anteil an den Erfolgen. Im Interview mit der NZZ sagte Leone: «Als Deutscher hatte er sich darüber gewundert, wie oft die Schweizer stur nach althergebrachtem Muster ihr Ding durchziehen. Er ermunterte uns, mutiger zu sein, die Komfortzone zu verlassen, Neues auszuprobieren. Sein Motto lautete: Lieber selbstbewusst sein und vielleicht mal den Kopf anschlagen, als sich verstecken. Das war Gold wert.» Sie nahm es sich zu Herzen. Und fand eine tiefe Ruhe in sich.

Als sie ihr Gewehr vergessen hat

Beim Schiessen, diesem Hochpräzisionssport, ist das im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert. Und es hilft Leone auch, kritische Situationen zu meistern. Als sich die Aargauerin an den Europameisterschaften im vergangenen Jahr für die Olympischen Spiele qualifizierte, hätte es viele Gründe gegeben, nervös zu werden. Zum Beispiel, dass plötzlich ihr Gewehr fehlte. Sie hatte es vergessen, einfach nicht eingepackt in den Bus.

Doch Leone blieb cool und dachte sich: «Na und?» Und das dachten auch ihre Eltern. Kurzerhand fuhren sie aus dem Fricktal nach Biel ins Nationale Leistungszentrum, schnappten sich die Tasche, worauf es direkt weiterging ins kroatische Osijek. 13 Stunden Fahrzeit mit dem Auto. Aber die haben sich gelohnt.Ihre Tochter wurde Europameisterin im Dreistellungsmatch.

Es war Leones erster internationaler Titel in einer olympischen Disziplin, nachdem sie 2023 schon Militärsport-Weltmeisterin wurde und an der WM in Baku Gold mit dem Frauen-Team und im Mixed gewann. Für diese Erfolge wurde die Fricktalerin schon im vergangenen Jahr als Aargauer Sportlerin des Jahres nominiert, wobei Leone auf Rang zwei kam. Bereits damals hatte sie vom Publikum mit Abstand am meisten Stimmen erhalten. Einzig die Jury mit Sportexperten gewichtete die Erfolge der Curlerinnen vom CC Aarau höher, was schliesslich den Ausschlag gab.

Eine Selfie mit der Olympiasiegerin.
Bild: Raphël Dupain

In diesem Jahr war es eine klare Sache. Leone konnte das Publikum erneut und noch deutlicher für sich begeistern, weil sie neben den Stimmen der treuen und grossen Schiess-Familie – im Aargau gab es Ende 2024 insgesamt 4734 lizenzierte Schützinnen und Schützen – auch weitere Kreise überzeugen konnte. Und auch das Votum der Jury sprach für sie.

Der Sport soll stärker gefördert werden

Dabei war es eines der besten Sportjahre in der Geschichte des Aargaus. Das zeigt allein der Blick auf die Nominierten. Aber noch viel mehr, wenn man sich anschaut, wer alles fehlt. Beispielsweise eine Weltmeisterin: Natalia Gemperle gewann 2024 im Orientierungslauf WM-Gold mit der Mixed-Staffel. Oder Nils Stump, der WM-Bronze im Judo gewann. Oder diverse Olympiateilnehmerinnen und -teilnehmer. Es fiel der Jury so schwer wie lange nicht mehr, sich auf sechs Kandidaten festzulegen.

Gleichzeitig sollte es der Anspruch als Kanton mit der viertgrössten Bevölkerung sein, mehr Spitzensportlerinnen und Spitzensportler als bisher hervorzubringen. Der Regierungsrat hat dies erkannt und will den Sport im Aargaumit einem Sportgesetz stärker fördern. Im dritten Quartal wird es dem Grossen Rat nochmals vorgelegt. Anfang 2026 soll es in Kraft treten. In der ersten Lesung erhielt die Vorlage 117 Ja- und 15 Nein-Stimmen. Regierungsrätin Martina Bircher verspricht: «Alex Hürzeler hat das Gesetz als mein Vorgänger sehr gut durchgebracht, mein sportlicher Anspruch ist es jetzt aber, noch weniger Gegenstimmen zu erhalten.»

Regierungsrätin Martina Bircher mit ihrem Vorgänger Alex Hürzeler. Dieser sagt, als es darum geht, wer auf welcher Seite für das Bild steht: «Ich bin linker als sie, das passt so.»
Bild: Severin Bigler

Wie wichtig Förderung ist, zeigt sich auch bei Chiara Leone, die sich unter anderem dank der Schweizer Sporthilfe, Sponsoren und dem Schweizer Militär ein Leben als Profi finanzieren kann. Im Interview mit dieser Zeitung sagte die 26-Jährige, die ihr Studium abbrach, um sich auf den Sport zu konzentrieren: «Wenn man alles zusammenrechnet, reicht es Ende Jahr, um meine Rechnungen zu bezahlen. Aber ich kann nicht jedes Wochenende fein auswärts essen oder zwei Wochen nach Hawaii fliegen.» Reich macht ein Olympiasieg nicht. Die 10’000 Franken Preisgeld, die Leone als Aargauer Sportlerin des Jahres bekommt, kommen da gelegen.

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