Jung und weiblich: Die Kampfansage der Mitte-Partei
Da sitzen Isabelle Chappuis (VD), Maya Bally (AG), Hannah von Ballmoos-Hofer (BE) und Jacqueline Wick (AG) für die Mitte-Partei auf dem Podium zum Auftakt der Wahlen. Sie kennen diese Kandidatinnen nicht? Das ist verständlich, sie sind bis jetzt kaum auf nationaler Ebene in Erscheinung getreten. Der Auftritt ist symbolisch: «Die Mitte-Partei will der Wahlkampagne ein Gesicht geben», wie Präsident Gerhard Pfister sagt. Und das ist offensichtlich jung und weiblich. Dabei wird er nicht müde, zu erwähnen, wie sehr er die Aufbruchstimmung an der Basis spüre. «Gerade das Engagement der vielen Jungen freut mich sehr.»
Tatsächlich wartet die Partei abermals mit einem Rekord auf: 1118 Personen kandidieren 2023 für einen Sitz im Nationalrat, davon sind 358 jünger als 35 Jahre. «Es ist mathematisch leicht auszurechnen, dass eine Kandidatur nicht für alle aufgeht», sagt Pfister. «So viele Plätze stehen gar nicht zur Verfügung.» Ihm geht es um die Mobilisierung der Wählerschaft: Wer eine Kandidatin, einen Kandidaten auf einer Liste kennt, ist eher geneigt, sie einzuwerfen.
Damit knüpft Gerhard Pfister an den Erfolg der Strategie der letzten nationalen Wahlen an. Bereits 2019 stellte die damalige CVP mit rund 750 Kandidierenden einen Rekord auf – und schaffte es, trotz grüner Welle beim Wähleranteil stabil zu bleiben. Dass nun andere Parteien mit Gewerbe-, Bauern-, Alten- und Jungenlisten antreten und damit die Strategie der Mitte kopieren, sei ein Zeichen des Erfolgs, findet Pfister – und kontert so die Kritik, anstatt auf Qualität auf Quantität zu setzen.
Unter dem Strich sind es mehr Männer als Frauen
Gleichzeitig entlarvt der Blick auf die Kandidierenden, dass sich für die Mitte-Partei immer noch deutlich mehr Männer (704) politisch engagieren als Frauen (414). Pfister verteidigt das Ungleichgewicht: «Für unsere Partei ist das Engagement der Frauen beachtlich.» Auch wenn es eben nicht ganz dem Bild entspricht, das die Partei für die Wahlkampagne präsentierte.
Der Männerüberhang ist indes das Ergebnis der vielen Listen: So wurden keine Männer abgewiesen, die auf irgendeiner B-Liste für den Nationalrat kandidieren wollen. Auf den Hauptlisten der Partei sind hingegen die Geschlechter ausgewogen verteilt, wie Kandidatin Maya Bally hervorhebt. Die Vorgaben der Kampagne «Helvetia ruft» für eine bessere Frauenvertretung im Parlament erfüllt die Mitte-Partei also.
Wachstumsstrategie mit klarem Fokus
Nicht nur das Geschlecht, auch die Herkunft der Podiumsteilnehmerinnen ist kein Zufall: Die Partei will namentlich in den grossen Kantonen wie Waadt, Bern und Zürich zulegen. Pfister sagt: «Die Resultate dieses Jahres zeigen, dass wir in den grossen Kantonen wachsen müssen. Dort besteht für uns noch Potenzial.» Pfister meint damit Zürich, wo die Mitte im Frühjahr minim auf 6 Prozent zulegen konnte, plus 0,2 Prozentpunkte.
In den Stammlanden wie beispielsweise Luzern stellt die Partei hingegen eine Sättigung fest, wie Generalsekretärin Gianna Luzio sagt. «Bei beachtlichen 25,5 Prozent Wähleranteil ist es unser Ziel, stabil zu bleiben.» Es sei das beabsichtigte Ziel der Mitte, neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen.
Dafür setzt die Partei inhaltlich auf die Gesundheitskosten, welche die Budgets der Familien und des Mittelstands zunehmend belasten. Die hauseigene Initiative für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen soll Abhilfe schaffen. Weiter wirbt die Partei für zwei weitere Initiativen, für welche sie noch Unterschriften sammelt: Verheiratete Paare sollen künftig sowohl bei den Renten wie auch bei den Steuern gleichberechtigt werden. Übergeordnetes Thema für die Wahlen ist aber der Kampf gegen die Polarisierung: «Wir halten die Schweiz zusammen.»
Die Strategie der Partei könnte weitreichende Folgen haben: Schafft es die Mitte, in den Kantonen Zürich, Bern, Waadt und Aargau zu wachsen, beeinflusst das unmittelbar auch die Positionierung der Partei: Die vier bevölkerungsreichsten Kantone beheimaten fast die Hälfte der Wohnbevölkerung. Auch kleine Sprünge wirken sich auf den Wähleranteil aus – und damit auch auf die absehbare Diskussion um die Verteilung der Bundesratssitze.