Sie sind hier: Home > Bundesgericht > Schaffhauser Simon Stocker muss seinen Ständeratssitz abgeben – so reagiert er auf das Urteil

Schaffhauser Simon Stocker muss seinen Ständeratssitz abgeben – so reagiert er auf das Urteil

Das Bundesgericht übersteuert die Schaffhauser Behörden und erklärt: Die Wahl des Schaffhauser Ständerats Simon Stocker war nicht rechtens. Stocker muss per sofort sein Amt abgeben. Er reagiert enttäuscht - und kämpferisch.

Nun ist es definitiv: Die Wahl des Schaffhauser SP-Ständerats Simon Stocker ist ungültig. Das hat das Bundesgericht am Montag entschieden. Es übersteuert damit einen Entscheid des Schaffhauser Obergerichts, das seine Wahl für zulässig hielt.

Im Urteil, das heute veröffentlicht wurde, erklären die Bundesrichter: «Da Simon Stocker am Wahltag keinen politischen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen hatte, erfüllte er die entsprechende strikte kantonalrechtliche Voraussetzung der Wählbarkeit als Ständerat nicht.»

Urteil sei «enttäuschend und stimmt uns traurig»

Als Konsequenz wird die Wahl aufgehoben, Simon Stocker verliert sein Amt als Ständerat. Der Schaffhauser äusserte sich in einem Statement auf Social Media zum Gerichtsentscheid. Dieser sei schmerzhaft für ihn, schreibt er. «Im Kern ist das Urteil auch eine Absage an ein gleichberechtigtes Familienmodell.»

Man habe eine pragmatische Lösung gefunden, «um unser Leben, das beruflich an unterschiedlichen Orten in der Schweiz stattfindet, gleichberechtigt zu organisieren». Dass das Bundesgericht diese Art zu leben als nicht vereinbar mit einem politischen Amt erachte und ihn nun die Wahl koste, sei «enttäuschend und stimmt uns traurig».

Schaffhausen muss neu wählen

Der Kanton Schaffhausen hat mit Hannes Germann (SVP) vorerst nur mehr einen Vertreter in der kleinen Kammer. Die Schaffhauser Regierung muss kurzfristig Neuwahlen organisieren.

Denn auch das hat das Bundesgericht entschieden: Durch die Aufhebung der Wahl von Simon Stocker rutscht nicht einfach der zweitplatzierte Konkurrent nach. Zwar forderte dies der Beschwerdeführer ausdrücklich, im Falle einer Aufhebung von Stockers Wahl im gleichen Zug auch Thomas Minder als gewählt zu erklären. Das geht jedoch nicht. Will er zurück in den Ständerat, muss Minder nochmals zur Wahl antreten.

Stocker hat bereits angekündigt, wieder zu kandidieren. Er sei überzeugt, den Sitz wieder erobern zu können.

Keine politischen Korrekturen der Ständeratsgeschäfte

An Stockers politischem Wirken der letzten anderthalb Jahre rüttelt das Bundesgericht nicht, wie es mitteilt. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird seine Wahl erst mit Wirkung des Urteils aufgehoben – und nicht auf den Zeitpunkt seiner Wahl im November 2023. So bleiben alle Entscheide, die Simon Stocker im Ständerat seither traf, weiterhin gültig. Das Bundesgericht schreibt: Stockers Entscheide seien «weder nichtig noch anfechtbar».

Hat sich als Mitglied des Ständerats eingelebt: Simon Stocker im Gespräch mit der Urner Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen.
Bild: Keystone

Dass eine demokratisch legitimierte Wahl aufgehoben wird, ist ein absoluter Ausnahmefall. Der politische Wille des Schaffhauser Stimmvolks war unmissverständlich: Mit 15’769 Stimmen gab es Simon Stocker im zweiten Wahlgang überraschend klar das Vertrauen, den Kanton im Ständerat zu vertreten. Thomas Minder holte 13’504 Stimmen.

Drei Tage nach der Wahl reichte ein Schaffhauser Bürger Beschwerde ein: Voraussetzung für eine Wahl in den Ständerat sei, dass der gewählte Kandidat am Tag der Wahl seinen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen habe. Simon Stocker wohne mit seiner Familie aber in Zürich.

Sowohl der Regierungsrat wie auch das Obergericht des Kantons Schaffhausen wiesen die Beschwerden ab. Wieso kommt das Bundesgericht nun zu einem anderen Schluss?

Klares Verdikt des Bundesgerichts

Entscheidend ist die Frage, wo Simon Stocker zum Zeitpunkt seiner Wahl wohnte. Denn ein enger Bezug zu Stadt und Kanton ist unbestritten: Stocker wuchs in Schaffhausen auf und lebte dort rund 40 Jahre lang, beteiligte sich am gesellschaftlichen Leben und war sieben Jahre Stadtrat.

2021 zog er mit seiner Frau und seinem Baby nach Zürich. Ab 2022 mietete er aber eine Wohnung in Schaffhausen, weil Aufträge seines Beratungsunternehmens aus dem Kanton stammten. Gleichzeitig planten er und seine Frau, ein Haus in Schaffhausen zu kaufen – und den Wohnsitz zu wechseln.

Das bedeutet: Stocker hatte zum Zeitpunkt seiner Wahl zwei Wohnungen, eine in Schaffhausen und eine in Zürich, wo seine Frau und sein Sohn hauptsächlich wohnten. Stockers Anwalt argumentierte, dass ein Ehepaar zwei Wohnsitze haben könne, gerade wenn es kleine Kinder hat. Stockers Lebensmittelpunkt liege in Schaffhausen.

Dieser Auslegung widerspricht das Bundesgericht nun klar: Erstens könne eine Person nicht mehr als einen Wohnsitz haben. Zweitens befinde sich der Lebensmittelpunkt im Normalfall am Ort, wo die Person schläft und von wo aus sie die familiären Beziehungen pflegt. Bei verheirateten Personen sei das der Wohnort der Familie, nicht der Ort der Arbeit.

Drittens – und das ist in diesem Fall ebenfalls wichtig – ist gemäss Schaffhauser Recht der Wohnsitz zum Zeitpunkt der Wahl entscheidend. Auch wenn Stocker beabsichtigte, mit seiner Familie nach Schaffhausen zu ziehen, ist das unerheblich. Denn der Wohnsitz war am Tag der Wahl, am 19. November 2023, laut Bundesgericht in Zürich, weil Stockers Familie dort wohnte.