Parteien setzen ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel: Hört auf mit Listenverbindungen!
Wer im Kanton Zürich bei den Nationalratswahlen im Herbst die FDP-Liste einwirft, trägt womöglich dazu bei, dass die SVP einen Sitz gewinnt – oder einen halten kann, den sie sonst verloren hätte. Will das die FDP-Wählerin? Sie hat dazu nichts zu sagen. Die beiden Parteien gehen eine Listenverbindung ein.
Wer im Aargau die GLP wählt, verhilft je nach Konstellation den Grünen oder der SP, die beide weit links politisieren, zu einem Sitz. Will das der GLP-Wähler? Er hat dazu nichts zu sagen. Die drei Parteien gehen eine Listenverbindung ein.
Im Wochentakt vermelden die Kantonalparteien, mit welchen Listenverbindungen sie in die Wahlen 2023 steigen, und oft betonen sie mit einem gewissen Unbehagen, es gehe nicht um inhaltliche Gemeinsamkeiten, sondern um reine Arithmetik. Der Zweck heiligt die Mittel. Doch die Sitzmaximierung via Excel-Kalkulationen beruht auf wackligen Annahmen, letztlich ist es Hokuspokus. Eins hingegen steht fest: Auf der Strecke bleibt die Glaubwürdigkeit.
Wenig auszusetzen gibt es an den Listenverbindungen von SP und Grünen – diese Parteien stimmen im Nationalrat zu 95 Prozent identisch und könnten genauso gut fusionieren. Die GLP hingegen passt nicht in diese Gemeinschaft.
Wie ist es bei FDP und SVP? Die entscheiden im Parlament bei fast jeder zweiten Abstimmung unterschiedlich. Und dies oft in zentralen Themen, etwa der Sicherheits-, Europa- und Gesellschaftspolitik. Es spricht Bände, dass die Delegierten der Zürcher FDP nur hauchdünn, mit 82 zu 81 Stimmen, die Listenverbindung mit der SVP genehmigt haben. Gleicht der kaum vorhersehbare Nutzen der Wahlallianz den Schaden noch aus, der durch die Verwässerung des eigenen Profils und die Verärgerung der halben Parteibasis bereits entstanden ist?
Für Listenverbindungen spricht nur ein Argument: Sie können kleine Parteien schützen. Doch dieses Ziel lässt sich auf anderen Wegen erreichen. Darum gehören Listenverbindungen abgeschafft. Ihre Wirkung ist für die Wählerschaft kaum durchschaubar. Sie reduzieren Politik auf Prozentgeschacher und Parteien – die eine wichtige Funktion haben – auf prinzipienlose Machtkonstrukte. Das fördert die Politikverdrossenheit.