Als ein französischer Düsenjäger nahe der Aargauer Grenze in den Rhein stürzte
Es ist laut Wetterbericht ein «ruhiger und trockener Spätsommertag», dieser 3. November 1954. Kurz vor 13 Uhr schrecken die Menschen in Waldshut und im benachbarten Full-Reuenthal vom pfeifenden Geräusch eines im Tiefflug heranschiessenden Düsenjägers aus der Mittagsruhe.
Der Pilot der «Vampire» der französischen Luftwaffe kämpft mit einem Motordefekt und sieht auf dem ebenen Fuller Feld mit seinen Wiesen und Äckern eine Notlande-Chance. Doch die Maschine touchiert den Rheindamm und wird in den Fluss geschleudert. Der Pilot ist sofort tot, sein Körper wird eine halbe Stunde später aus dem Wasser geborgen.
Das Auftauchen eines Düsenjägers der französischen Luftwaffe über dem Hochrheingebiet war der frühen Nachkriegszeit geschuldet, in der Südbaden mehrere Jahre zur Besatzungszone der Franzosen gehörte. Aus Waldshut etwa waren die letzten der einst über tausend Besatzungssoldaten im Sommer 1953 endgültig abgezogen.
Die Luftwaffe auf einem Übungsflug
Frankreich hatte wie zahlreiche andere Länder für seine Luftwaffe den von der der englischen Firma De Havilland entwickelten Düsenjäger «Vampire» angeschafft. Einer der französischen Piloten war ein 23-jähriger Feldwebel. Am 3. November 1954 war er als Teil einer Dreierformation von «Vampires» der französischen Luftwaffe auf einem Übungsflug.
Man hört das Pfeifen und Knallen
Das Protokoll der Gemeinde Full-Reuenthal über den Absturz erwähnt, dass der Pilot in einem Funkspruch aus 10’000 Meter Höhe einen Motorschaden gemeldet habe. «Am Mittwoch, 3. November 1954, erschien um 12.53 Uhr über dem Fuller Feld ein Düsenflugzeug», so das Protokoll, «das zweimal kreiste und nachher zu einer Notlandung ansetzte. Man hörte ein Pfeifen und blitzschnell darauf zwei Knalle.»
Der Jet bohrt sich in den Rheindamm
Der Alb-Bote informierte am 5. November 1954 ausführlich über den Flugunfall. «Bei ihrem misslungenen Notlandeversuch streifte die Maschine in rasender Geschwindigkeit einen Obstbaum und rasierte auf ihrem 300 Meter langen Amoklauf auf dem Boden ein in Beton verankertes Brückengeländer hinweg. Damit nicht genug, mähte sie eine Telegrafenstange ab, schlitterte etwa zwanzig Meter seitwärts an einem Bauerngehöft vorbei und bohrte sich mit grosser Wucht in den Rheindamm, wodurch sich das Flugzeug überschlug und über den Damm 40 Meter in den Rhein hinaus katapultiert wurde», so der Alb-Bote über die letzten Sekunden des dramatischen Geschehens. Der Pilot muss spätestens durch den Aufprall in den Rheindamm sein Leben verloren haben.
Eine Schneise, übersät mit Trümmern
Die von der über den Boden rutschenden Maschine gezogene Schneise war übersät mit Trümmerstücken und grossen Teilen der Tragflächen, die unterwegs hinweggefegt wurden. Sie waren die beweiskräftigsten Zeugen des Unfallhergangs, der sich so blitzschnell abspielte und schon nach Sekunden endete, dass wohl kaum ein Augenzeuge den genauen Vorgang richtig verfolgt hatte.
Sie bergen den Piloten aus dem Cockpit
Die ersten Helfer am Unfallort waren einige Schweizer, unter ihnen der Zollbeamte Löffler. Er schnappte sich einen Weidling, mit dem er auf dem Rhein zur Stelle ruderte, an der das Flugzeug versunken war. Kurz darauf eilte ihm der Waldshuter Fährmann Auer mit dem Fährboot zu Hilfe. Den beiden Männern gelang es unter nicht geringen Anstrengungen, den toten Piloten mit den auf dem Wasser schwimmenden Schnüren seines Fallschirms aus dem zerstörten Cockpit des Düsenjägers zu bergen. Die Leiche wurde in einem von der Gemeinde Full-Reuenthal gestellten Sarg der später eingetroffenen französischen Untersuchungskommission übergeben und zur Bestattung in seine Heimat nach Frankreich überführt.
Die Nachricht spricht sich schnell herum
Inzwischen hatte sich die Nachricht vom Absturz auf beiden Seiten des Rheins schnell herumgesprochen. Weitere Aufmerksamkeit erregte es, als etwa eine Stunde nach dem Absturz die zwei Begleitmaschinen der jetzt im Rhein versunkenen «Vampire» über der Unfallstelle auftauchten und, mehrmals kreisend, nach ihrem Kameraden suchten. Einige wenige Neugierige aus Waldshut machten sich sogar auf den Weg zur Unfallstelle auf dem Fuller Feld. Die meisten Waldshuterinnen und Waldshuter beobachten jedoch von der Ochsensteige aus die sich auf Schweizer Seite abspielenden Szenen. Die Polizei musste anrücken, um den Fahrzeugverkehr regeln zu können.
Keine schnelle Bergung der Maschine
Die in Full-Reuenthal von der abstürzenden Maschine angerichteten Schäden wurden im Protokoll der Gemeinde mit 1805 Schweizer Franken angegeben, geschätzt von den betroffenen Landwirten. In Rechnung stellte die Gemeinde mit 218 Franken den Sarg für den toten Piloten. Die Hoffnung, das im Rhein liegende Wrack des Düsenjägers schnell bergen zu können, zerschlug sich jedoch. Wie die Gemeindeverwaltung auf Anfrage mitteilte, musste Full-Reuenthals Gemeinderat «stark darum kämpfen», dass die übergeordnete Behörde rund zwei Jahre später die Kosten für die etwa Mitte 1957 durchgeführte Bergung übernahm.
Flugzeugteile werden angeschwemmt
Die letzte aktuelle Meldung über den Absturz erschien im Alb-Bote am 9. November 1954. Sie informierte darüber, dass am Rechen des Kraftwerks Albbruck von dem in den Rhein gestürzten französischen Düsenjäger Flugzeugteile angeschwemmt wurden, darunter eine Sauerstoffflasche und Holzteile. Diese stammten von der Cockpitsektion der «Vampire», bei der neben Metall auch Balsa- und Sperrholzbauteile verwendet wurden.