Atommüll-Endlager in der Schweiz: Welche Sorgen haben die Menschen ennet der Grenze zum Zurzibiet?
Schon kurz vor 18 Uhr drängten sich die ersten Besucher zum Infomarkt des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in das Foyer der Stadthalle Waldshut. Dort hielten zum Thema ‹Endlagersuche in der Schweiz› etliche am Verfahren beteiligte Institutionen ihre Informationen bereit.
Das schweizerische Bundesamt für Energie (BFE) war ebenso präsent wie das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat, das Swiss Federal Office of Energy (SFOE), die deutsche Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST) und die Expertengruppe-Schweizer-Tiefenlager (ESchT). Ausserdem waren viele politische Mandatsträger aus der Grenzregion präsent.
Die Gemeine Hohentengen hat extra einen Bus nach Waldshut organisiert, damit die Bewohner die Informationsveranstaltung besuchen können – der geplanten Standort in Stadel liegt nur etwa drei Kilometer Luftlinie von der Gemeinde entfernt. Sandra Härtel und zwei weitere Bürger sind aus Hohentengen gekommen, weil sie sich unter anderem aktuelle Informationen über die Sicherheit des Endlagers erwarteten. Sie kritisierten die «bisherige Achterfahrt bei der Standortsuche».
Bürger kritisiert fehlende Unterstützung
«Es geht mir darum, dass die Leute informiert werden. Der Vorgang ist eine einzigartige Sache und wird nirgends in Europa so bewerkstelligt», sagte Udo Burmeister aus Hohentengen. Und er wollte an diesem Abend hören, wie die deutsche Seite zu diesem Vorhaben steht. Aus Hohentengener Sicht bemängelte er die fehlende Unterstützung – beim Thema Endlagersuche und beim Fluglärm.
Die wichtigsten Antworten der Nagra und Bund
David Erni vom Bundesamt für Energie (BFE) der Schweiz stellte klar, dass das Rahmenbewilligungsgesuch nur der erste Schritt im Prüfungsprozess ist. 2028 komme es zu einer öffentlichen Auslegung, bei der Bürger aus der Schweiz und Deutschland innerhalb von drei Monaten Beschwerden einreichen können. Sollte alles reibungslos laufen, könnten frühestens 2050 das erste Mal radioaktive Abfälle im Lager entsorgt werden. Landrat Martin Kistler sagte in seiner Rede: «Diese Zeitdimensionen erfordern Demut.»
Bis dorthin sind sowohl auf Schweizer als auch auf Seite der deutschen Gemeinden noch einige Entscheidungen offen. Um für einen durchgehenden Austausch zwischen den Vertretern beider Seiten zu sorgen, gibt es die Regionalkonferenz Nördlich Lägern. «Wir versuchen, alle 43 betroffenen Gemeinden zu repräsentieren», versprach Vorstandsmitglied Christopher Müller.
In einer konkreten Forderung der Deutschen, steckt Konfliktpotenzial. Die anliegenden Gemeinden, wie Hohentengen wünschen sich Abgeltungen im Ausgleich dafür, dass sie das Endlager in der Nachbarschaft dulden.
Hohentengens Bürgermeister Jürgen Wiener machte klar: «Wenn wir es uns aussuchen könnten, bräuchten wir weder ein Tiefenlager noch Geld. Aber wenn das eine kommt, muss auch das andere folgen.» Prinzipiell sei die Schweiz auch zu Zahlungen bereit, sagte David Erni (BFE). «Doch dabei handelt es sich um freiwillige Zahlungen», fügte er hinzu. Deshalb werde über die Summen noch verhandelt.
Weshalb die Grenzregion für deutsche Endlager ungeeignet sei, erklärte Philipp Senn von der Nagra mit der Lage des Opalinuston.(az)
Hauke Schneider, Vorsitzender des Nabu Waldshut-Tiengen, möchte an diesem Abend den aktuellen Stand erfahren, den Zeitplan und die Zugänglichkeit für den Atommüll. Er interessierte sich auch dafür, wie die Mitsprachemöglichkeit auf deutscher Seite aussieht. Und er forderte eine Begrenzung für die Lagerstätte.
Auch Elmar Maier aus Hohentengen interessierte sich für den aktuellen Verfahrensstand. «Die Sache ist schon sehr weit fortgeschritten und der Abschluss steht vor der Endgültigkeit. Ich erwarte mir von dem Abend eine offene und klare Information darüber, wie der zeitliche Ablauf geplant ist.»
Johannes Foege (Mitglied der SPD-Fraktion des Lörracher Kreistages) aus Weil am Rhein und Bernhard Boll (Waldshuter AfD-Kreisrat) äusserten sich eher lobend über die Schweiz. «Ich finde es sehr positiv, wie die Schweiz konsequent das Thema angeht. Dies könnte auch ein Beispiel für Deutschland sein», so Boll. Für das Endlager, das sich in 800 Metern Tiefe befinden würde, habe er keine Sicherheitsbedenken. Foege äusserte sich dankbar dafür, dass die Schweiz Deutschland teilnehmen lasse – «dies ist nicht selbstverständlich».
Nach und nach füllte sich dann auch die Anschlagtafel für Fragen zur Endlagersuche Schweiz. Da war beispielsweise zu lesen: «Warum ist das Grenzgebiet aus deutscher Sicht ungeeignet, aber aus Schweizer Sicht «top»?, oder «Der Standort wurde erst ausgeschlossen und ist nun der Beste, warum?», «Kann der deutsche Atommüll auch dort eingelagert werden?», «Wie wird die Sicherheit der Transporte gewährleistet?»
Diese und viele weitere Fragen standen dann im Mittelpunkt der anschliessenden Informationsveranstaltung in der Stadthalle Waldshut, die vom Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Christian Kühn eröffnet wurde (siehe Kontext weiter oben).