Besitzer von Waffengeschäft schiesst auf Einbrecher – und wird freigesprochen
Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen, wie zwei Autos vor dem Waffengeschäft in Wallbach halten. Es steigen sechs Personen aus, sie tragen Polizei-Sicherheitswesten, sind mit Pistolen und Sturmgewehren bewaffnet. Besitzer Jean-Paul Schild wohnt direkt über seinem Geschäft und wird durch den Lärm aus dem Schlaf gerissen. Er erkennt sofort: Das sind keine Polizisten – einer der Männer hat eine Kalaschnikow; diese Waffe ist bei keinem Schweizer Polizeikorps im Einsatz.
Er holt sein Gewehr, aus einem anderen Schrank das Magazin. Einer der Einbrecher ist in der Zwischenzeit vom Autodach auf eine Stoff-Store hochgeklettert und versucht von dort, die Alarmanlage ausser Gefecht zu setzen. Er befindet sich direkt vor dem Schlafzimmer. Nachdem die Männer nicht auf die Rufe von Schild reagieren, schiesst er auf die Holzwand. Die Kugel durchdringt diese, verletzt einen der Einbrecher. Schild schiesst auf die Autos, um die Männer in die Flucht zu schlagen. Diese schiessen zurück, 17 Kugeln treffen die Fassade. Dann fahren sie davon.
Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Freiheitsstrafe
Dies hat sich in der Nacht des 30. Oktobers 2020 ereignet. Am Mittwoch muss sich Schild vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten, weil er auf die Einbrecher geschossen hat – die Staatsanwaltschaft beantragt drei Jahre Freiheitsstrafe, davon sechs Monate unbedingt.
Der Besitzer des Waffengeschäfts hat sich im vergangenen September gegenüber der SRF-Sendung «Rundschau» zum Vorfall geäussert: «Ich bin mir nicht einer Schuld bewusst, für die ich ins Gefängnis müsste.» Er habe nicht versucht, einen der Einbrecher zu erschiessen, er habe einen Warnschuss und Schüsse auf ein Fahrzeug abgegeben. «Das war gezielt, ich habe nicht wild herumgeballert.»
Die vorerst unbekannte Täterschaft flüchtete in ihren Fahrzeugen in Richtung Frankreich. In Zusammenarbeit mit den französischen Behörden konnte eine tatverdächtige Person festgenommen werden. Der 32-jährige Franzose hatte bei dem Einbruchsversuch zwei Schussverletzungen in die Extremitäten erlitten und musste hospitalisiert werden. Gegen ihn wird ein Verfahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, qualifiziertem Einbruchdiebstahl sowie wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrs- und das Waffengesetz geführt.
Beschuldigter wollte verhindern, dass Waffen in die falschen Hände kommen
Laut Recherchen der «Rundschau» handelt es sich bei den Verbrechern um eine der Banden aus den Armenvierteln von Lyon, die in den letzten Jahren verschiedene Banken, Geldtransporter und Waffengeschäfte in Frankreich und der Schweiz überfallen haben. Die Waffen werden laut Bericht auch an andere kriminelle Organisationen weiterverkauft.
Der Beschuldigte erklärte im Beitrag, er habe auch deswegen geschossen, weil eine Waffe «kein Gut wie Schmuck oder Geld» sei. Waffen würden dazu verwendet, anderen Leuten Leid zuzufügen, deshalb habe er nicht riskieren wollen, dass die Täter mit Waffen aus seinem Laden fliehen.
Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab stimmt ihm zu: «Der Beschuldigte wird von Schuld und Strafe freigesprochen.» Das Urteil sei kein Freibrief, um auf Einbrecher zu schiessen. Schild habe aber glaubhaft darlegen können, dass die Situation für ihn in diesem Moment lebensbedrohlich war. «Die Anwendung einer Schusswaffe war in diesem Fall ein adäquates Mittel, um Schlimmeres zu verhindern.» Im Laden lagerten damals rund 1000 Waffen, ein Grossteil davon war für die Polizei bestimmt.