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«Wenn Journalisten heute zusammenkommen, dann jammern sie über die Branche»

Im zt Talk sagt Peter Hossli, warum er als Leiter der Ringier-Journalistenschule junge Leute trotz Medienkrise ermuntert, sich von ihren Berufszielen nicht abbringen zu lassen – und worauf sich die Schweiz mit US-Präsident Donald Trump gefasst machen muss.

Peter Hossli (1969) lebte elf Jahre als US-Korrespondent für diverse Schweizer und deutsche Medien in den USA. Seit der Jahrtausendwende hat er jeden Wahlkampf um die Präsidentschaft begleitet und darüber geschrieben – 2024 verbrachte er drei Monate in den Vereinigten Staaten. Seit 2022 leitet Hossli die Ringier-Journalistenschule in Zofingen. 

Kann er jungen Menschen noch raten, in die von Krise zu Krise taumelnde Medienbranche zu gehen? «Ich glaube, Journalismus ist nicht in einer Krise. Es ist das Geschäftsmodell, das in einer Krise ist», sagt Hossli. «Die Leute wollen nach wie vor informiert werden, sie wollen angeregt werden, sie möchten auch unterhalten werden.» Die Welt werde immer komplizierter – und der Bedarf an Menschen, die sie erklären können, grösser. Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz «braucht es mehr gute Journalisten, nicht weniger».

Und: «Wenn Journalisten heute zusammenkommen, dann fangen sie an, über die Branche zu jammern. Ich kontere dann immer und frage, wann sie das letzte Mal eine gute Geschichte gemacht haben.» Journalisten müssten guten Journalismus machen, den die Medienmanager verkaufen. «Wenn wir uns zu sehr um die Zahlen kümmern, machen wir keinen guten Journalismus mehr. Das bläue ich meinen Schülern ein.»

Nötig seien Durchhaltewillen und Flexibilität. «Man muss wissen, dass sich diese Branche immer wieder wandelt. «Aber die beiden wichtigsten Dinge im Journalismus bleiben gleich: Man muss schreiben und recherchieren können.» Und: Man dürfe kein Aktivist sein. «Mir war es immer wichtig, dass niemand weiss, wo ich politisch stehe». Wenn man aber in den Journalismus gehe, um die Welt zu verändern, sei man am falschen Ort. «Die Welt verändern, das macht das Volk, das macht die Politik. Unsere Aufgabe ist, die Welt zu beschreiben und den Leuten Instrumente zu geben, Entscheide zu treffen. Aber wir sollen sie nicht treffen.»

Peter Hossli hat als Reporter auch den letzten Wahlkampf in den USA begleitet. Worauf muss sich die Schweiz mit Donald Trump gefasst machen? «Er hat angekündigt, dass er hohe Zölle auf Aluminium und Stahl verhängt. Im ersten Schritt ist das noch nicht so schlimm, aber wenn die EU Gegenmassnahmen ergreift und die Schweiz als Drittstaat anschaut, dann haben wir plötzlich einen Zoll von 25 Prozent auf dem Export von Stahl und Aluminium in EU-Länder, das sind dann schon sehr happige Preise. Ich denke, das ist das grösste Problem.» Treffen könnte es auch die Pharma- und Nahrungsmittelbranche. Robert F. Kennedy, er eben Gesundheitsminister wurde, kämpfe gegen Big Pharma und gegen verarbeitete Lebensmittel an. «Da sind Nestlé und die beiden Pharma-Grosskonzerne in Basel natürlich betroffen.»

Welche drei Interview-Wunschpartner hat der erfahrene Reporter Hossli? «Wen ich sehr gerne interviewen würde, ist Clint Eastwood. Er hat gerade mit 94 seinen letzten Spielfilm gemacht», sag er. «Er ist wirklich eine bewundernswerte Figur. Wer mich aber noch mehr interessiert, ist der Arzt von Yahya Ibrahim Hassan Sinwar, dem palästinensischen Terroristen, der gefallen ist. Sinwar war 22 Jahre im Gefängnis in Israel. Er erkrankte an einem Hirntumor. Sein Arzt rettete ihm das Leben. Er behandelte ihn und machte ihn wieder gesund. Dann kam Sinwar frei und ging zurück nach Gaza. Er hat den monströsen Angriff auf Israel vorbereitet und am 7. Oktober ausgeführt. Der Arzt sagte, es sei seine Pflicht als Arzt gewesen, Sinwars Leben zu retten.» Als Sinwar gestorben sei, habe sein Arzt ein Zitat aus der Thora zitiert und gesagt, man solle nie den Tod seiner Feinde bejubeln. «Das finde ich eine wahnsinnig spannende Geschichte. Daraus würde ich gerne ein Interview machen.» Und schliesslich steht der ehemalige US-Präsident Bill Clinton ganz oben auf seiner Wunschliste. «Bill Clinton hat mich zur amerikanischen Politik gebracht. Als er 1992 gewählt wurde, bin ich als sehr junger Mensch nachts aufgestanden und habe die Wahlen geschaut. Er hat mich fasziniert.»