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«Wenn wir jetzt in die Lücke springen, sind wir nachher die Prügelknaben»: Der Bauernverband Aargau warnt vor Schnellschüssen

Nach der Pandemie kam der Krieg: An der Generalversammlung des Bauernverbandes Aargau ging es um eine Erhöhung des Selbstversorgungsgrades und die damit verbundenen Herausforderungen. Und mit der nächsten Abstimmung wartet bereits die nächste Hürde für den Bauernstand.

«Der grösste und der fünftgrösste Weizenexporteur der Welt befinden sich im Krieg. Und schon werden Forderungen laut, die Schweizer Landwirtschaft müsse sich intensiver ausrichten und den Selbstversorgungsgrad erhöhen», eröffnete Präsident Christoph Hagenbuch die 21. Generalversammlung des Bauernverbandes Aargau (BVA). Dem zu entsprechen sei jedoch alles andere als einfach, erklärte der Landwirt und SVP-Grossrat aus Oberlunkhofen.

Denn: das Ackern von Ökoflächen würde nicht den gewünschten Effekt bringen und wenn schon «müsste über die Neu- oder Wiederzulassung von Pflanzenschutzmitteln diskutiert werden, wenn wir die Produktion rasch erhöhen sollten.» Und, fügte er an, wenn der Selbstversorgungsgrad erhöht werden solle sei es primär wichtig, dass die Landwirtschaft nicht mit immer neuen Auflagen weiter eingeschränkt werde.

Die Landwirtschaft produziert nicht auf Teufel komm raus

Mit seinen Ausführungen, stellte Hagenbuch klar, wolle er keineswegs einer Landwirtschaft das Wort reden, die «auf Teufel komm raus produziert.» Im Gegenteil: «Wir produzieren längst nach klar gesetzten Leitlinien so nachhaltig wie möglich das, was nachgefragt wird – und wir werden das auch weiterhin tun.»

Die Gesellschaft bestimme, was und wie die Landwirtschaft produziere, sagte der BVA-Präsident und warnte vor Schnellschüssen: «Wenn wir jetzt mit einer Erhöhung der Produktion in die Lücke springen und dabei Abstriche an der Nachhaltigkeit machen, sind wir erneut die Umweltverschmutzer und Prügelknaben der Nation, sobald sich die Versorgungslage wieder normalisiert.»

Immerhin, hielt er fest, habe die aktuelle Lage mit Krieg und vorangegangener Corona-Krise auch den Effekt, dass das Bewusstsein und die Wertschätzung für eine lokale Nahrungsmittelproduktion gestärkt worden seien.

Applaus für die verschiedenen Personen, die an der Generalversammlung des BVA geehrt wurden.

Regierungsrat und Landwirtschaftsdirektor Markus Dieth hieb in dieselbe Kerbe: «Corona hat es gezeigt und die aktuelle Lage in Europa belegt es erneut, wie wichtig es ist, unsere Lebensmittel soweit wie möglich vor Ort zu produzieren.» Die Aargauer Regierung, versprach er den weit über 200 an der Generalversammlung in Waltenschwil anwesenden Bäuerinnen und Bauern, werde die Landwirtschaft dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.

Und schon wartet der nächste Abstimmungskampf

2021, sagte Christoph Hagenbuch in seinem Jahresbericht, sei von grosser Wetterunbill geprägt gewesen: «Die Getreideernte war katastrophal, jene von Kartoffeln und Gemüse schlecht, das Obst- und Weinjahr mehr als durchzogen. Alles in allem kann es heuer nur besser werden.» Noch saurer als das Wetter ist dem BVA-Präsidenten allerdings das politische Umfeld aufgestossen: «Wir haben die Abstimmungen zu zwei extremen Volksbegehren (Trinkwasserinitiative und Pestizidfrei-Initiative) an der Urne gewinnen können. Was danach abgegangen ist, war allerdings unterste Schublade.» Der Bauernstand sei von Umweltverbänden richtiggehend diffamiert worden.

Mit der Initiative zur Massentierhaltung – der Urnengang ist am 25. September – wartet bereits die nächste grosse Herausforderung. Der BVA hat im Budget 15’000 Franken für seine Beteiligung an der Gegenkampagne gesprochen. Es gehe in diesem erneuten wichtigen Abstimmungskampf vor allem darum, in der Bevölkerung Aufklärungsarbeit zu leisten. «In der Schweiz gibt es keine Massentierhaltung, wir haben die höchsten Tierschutz-Standards überhaupt», hielt BVA-Vizepräsidentin Colette Basler an der Generalversammlung fest.

Die anwesenden Bäuerinnen und Bauern genehmigten alle vorgelegten Sachgeschäfte einstimmig. Neben den aktuellen landwirtschaftspolitischen Themen wurden sie von OK-Präsident und Nationalrat Alois Huber auch über das Konzept der ALA (Aargauische Landwirtschaftliche Ausstellung) informiert, die vom 30. August bis 3. September 2023 in Lenzburg stattfinden wird. Und sie bekamen von Geschäftsführer Ralf Bucher – der dieses Jahr sein 20-Jahr-Jubiläum beim BVA feiern kann – auch mit, dass es auf der Geschäftsstelle im Murianer Roos bestens läuft.

Die neuen Ehrenmitglieder Daniel Schreiber und Alois Huber (Mitte) mit Gattinnen Salome und Silvia sowie BVA-Präsident Christoph Hagenbuch (ganz links) und Geschäftsführer Ralf Bucher (ganz rechts).

In der Waltenschwiler Bannegghalle wurden am Mittwochabend zudem verschiedene Personen geehrt, die sich in irgendeiner Weise für den BVA verdient gemacht haben. Zu neuen Ehrenmitglieder des Verbandes ernannt wurden die langjährigen Vorstandsmitglieder Alois Huber und Daniel Schreiber.

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