Landesverweis und Gefängnisstrafe: Schläger von der Landstrasse blitzt vor Bundesgericht ab
An Heiligabend vor drei Jahren kam es mitten in Wettingen zur Eskalation: Der heute 39-jährige Kosovare Gezim (alle Namen geändert) fuhr in seinem VW Golf zwischen zwei Kreiseln auf der Landstrasse hin und her, um seine Ehefrau Edita zu beobachten.
Im Jahr 2004 hatten sie geheiratet. Mittlerweile lebten sie getrennt. Gezim war wegen leichter Körperverletzung gegen seine Frau vorbestraft. Mehrmals hatte er das gerichtliche Verbot missachtet, sich der Wohnung seiner Frau zu nähern. Aus Angst vor ihm ging Edita keine neue Beziehung ein. Ihre Kinder sind heute 17, 14 und 12 Jahre alt.
Plötzlich fliegen die Fäuste
Edita war an jenem Tag mit Familienmitgliedern unterwegs. Ihrem jüngeren Bruder Valmir fiel der VW Golf mit Gezim am Steuer auf. Er zeigte mit dem Zeigefinger an seine Stirn und nannte seinen Schwager «Tubel». Gezim stoppte den VW auf dem Trottoir, ging auf seinen Schwager los und drohte, ihn umzubringen. Nun flogen die Fäuste – wobei sich der zehn Zentimeter kleinere und fast 40 Kilogramm leichtere Valmir zu wehren wusste.
Gezim holte aus dem Kofferraum einen 37 Zentimeter langen und 834 Gramm schweren Schraubenschlüssel aus Metall, wie er im Gerüstbau verwendet wird.
Rund zehn Mal schlug er nun zu. Mindestens zweimal traf er den Schwager am Kopf, mindestens einmal an der Schulter. Valmir konnte die meisten Schläge abwehren. Lebensgefährlich wurde er zwar nicht verletzt. Er erlitt aber Prellungen und einen Muskelriss. Für mehrere Wochen war er arbeitsunfähig.
Erst die von Edita alarmierten Polizisten schafften es, Gezim den Schraubenschlüssel zu entreissen. Passanten waren schon zuvor dazwischen gegangen. Gezim erlitt leichte Verletzungen: Blutergüsse, Schürfungen, Schwellungen im Gesicht, an Hals und Oberkörper.
Bezirksgericht sieht von Landesverweis ab
Das Bezirksgericht Baden verurteilte Gezim zu 3¼ Jahren Freiheitsstrafe – vor allem wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Gezim habe lebensgefährliche beziehungsweise schwere Verletzungen bei Valmir in Kauf genommen, stellte es fest. Von einem Landesverweis sah es dagegen ab. Das Urteil fochten Gezim wie auch die Staatsanwaltschaft an.
Das Aargauer Obergericht bestätigte die Freiheitsstrafe – sprach aber zusätzlich einen Landesverweis von 7 Jahren aus. Es verwies darauf, dass die versuchte schwere Körperverletzung als Katalogtat für den obligatorischen Landesverweis gilt.
Er fordert Freispruch und keinen Landesverweis
Dagegen wehrte sich Gezim und zog vor das Bundesgericht. Er sei von der versuchten schweren Körperverletzung freizusprechen, forderte er. Die Beweiswürdigung sei willkürlich und der Grundsatz «in dubio pro reo» verletzt worden. Er sei einer Übermacht von Angreifern gegenübergestanden.
Deshalb habe er sich nicht anders zu wehren gewusst als mit dem Schraubenschlüssel. Er habe seinen Schwager in einer Notwehrhandlung getroffen. Das Gericht könne nicht davon ausgehen, dass er mindestens zehn Mal auf seinen Schwager eingeschlagen habe. Zudem liege bei ihm ein schwerer persönlicher Härtefall vor. Deshalb sei von dem Landesverweis abzusehen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde von Gezim allerdings abgelehnt. «Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, seine Sichtweise vorzutragen und setzt sich nicht mit den entsprechenden vorinstanzlichen Ausführungen auseinander», schreiben die Richter in ihrem Urteil. Sie sehen auch keinen Grund, am Landesverweis zu rütteln.
Öffentliches Interesse höher als das private
Sie verweisen auf darauf, dass laut Aargauer Obergericht (knapp) ein Härtefall vorliegt. Doch nach Würdigung sämtlicher Umstände und mit einwandfreier Begründung kam die Vorinstanz zum Schluss, dass bei Gezim «von einer besonderen Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit und einer ungünstigen Legalprognose auszugehen» sei. Damit sei ein hohes öffentliches Interesse am Landesverweis gegeben. Und dieses überwiege sein privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz, zumal seine Resozialisierungschancen in seinem Heimatland durchaus intakt erschienen würden.
Urteil: 6B_1453/2020