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Zirkus mit Untertiteln: Im Circus Monti wird erstmals eine Vorstellung live für Sehbehinderte kommentiert

Derzeit gastiert der Circus Monti mit seinem Jubiläumsprogramm auf der Zirkuswiese in Wettingen. Am Freitagabend findet eine inklusive Vorstellung für Blinde und Sehbehinderte statt. Wie das funktioniert und welche Badenerin hinter der Idee steckt.

Schillernde Kostüme, waghalsige Akrobatik und die Mimik eines Clowns: All das macht Zirkus aus und sorgt für Emotionen im Publikum. Blinden oder sehbeeinträchtigten Menschen fehlt diese Dimension jedoch. Um ihnen ein besseres Zirkuserlebnis zu ermöglichen, findet am Freitagabend im Circus Monti in Wettingen erstmals eine inklusive Vorstellung statt. Der Wohler Zirkus feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen mit dem Jubiläumsprogramm «Weil wir fliegen können!» und gastiert ab Mittwoch auf der Zirkuswiese.

Die professionelle Sprecherin und Schauspielerin Naima Bärlocher wird die Abendvorstellung um 20 Uhr in einer sogenannten Audiodeskription live beschreiben. Dafür werden den Betroffenen kostenlos iPod Touch-Leihgeräte mit «offenen» Kopfhörern zur Verfügung gestellt. Dadurch sind die Nutzenden nicht isoliert, sondern bekommen die Umgebungsgeräusche mit. Möglich ist auch, nur einen Hörer ins Ohr zu stecken. Die Audiodeskription kann aber auch mit dem Smartphone und eigenen Kopfhörern genossen werden.

Zirkusdirektor Johannes Muntwyler kehrt im Jubiläumsprogramm «Weil wir fliegen können» nochmals in die Manege zurück.
Bild: Valentin Hehli

Möglich macht dies ein Pilotprojekt des Zukunftslabors Wettingen in Zusammenarbeit mit Sensability, einer Organisation mit Expertise für Inklusion. «Audiodeskription kennt man aus Film und Theater, doch im Zirkus ist es ein Novum», sagt Kulturakteurin und Design «Thinkerin» Simona Hofmann vom Zukunftslabor. Für die technische Umsetzung wurde das Audio Description Network ins Boot geholt.

Beim Zirkus Monti stiess Simona Hofmann mit ihrer Anfrage auf offene Ohren. «Es ist höchste Zeit, dass es so ein Angebot gibt», findet Zirkusdirektor Johannes Muntwyler, der beim Jubiläumsprogramm selber ein Comeback als Jongleur gibt. «Für uns war sofort klar, dass wir mitmachen, sofern sich dieses zusätzliche Angebot in eine reguläre Vorstellung integrieren lässt.»

Er ist selber gespannt auf die Umsetzung des Projekts. «Die bunten Zirkusnummern, bei denen oft vieles parallel passiert, in Worte zu fassen für jemanden, der nichts sieht, ist eine riesige Herausforderung», ist dem Zirkusdirektor bewusst.

Initiative will die kulturelle Inklusion vorantreiben

Wichtig war ihm jedoch, dass sich die Sprecherin nicht im Publikum befindet, während sie das Programm kommentiert. Die Vorstellung wird deshalb gefilmt und live in einen antiken Zirkus-Anhänger zu Naima Bärlocher übertragen, die von dort aus das Geschehen beschreibt. Für ihren Einsatz hat Bärlocher ein Drehbuch geschrieben. Gecoacht wurde sie dabei von Sensability-Projektleiterin Nicole Sourt Sanchez, die selber blind ist.

Simona Hofmann, Kulturakteurin und Design «Thinkerin».
Archivbild: Claudio Thoma

Die Teilnehmenden der Audiodeskription haben bei der Vorstellung keine speziell gekennzeichneten Plätze. «Wenn man von inklusiven Anlässen spricht, sollen die Betroffenen wie alle anderen mitten im Publikum sitzen», so Johannes Muntwyler. Die Tickets für diesen speziellen Service können über den Vorverkauf telefonisch unter 056 622 11 22 reserviert werden.

Das Pilotprojekt ist Teil einer Initiative, welche die kulturelle Inklusion im Kanton Aargau vorantreiben will. Sie richtet sich an Kulturinstitutionen, Kulturschaffende und Menschen mit Beeinträchtigungen im Aargau. «Es geht darum, ein starkes Netzwerk aufzubauen, Kulturhäuser zu vernetzen und den Wissenstransfer für mehr Inklusion zu fördern», erklärt Simona Hofmann.

Einen ersten Inklusions-Workshop hat das Zukunftslabor am Figura-Theaterfestival im Juni in Baden durchgeführt. Im Vorfeld der Zirkusvorstellung findet nun ein weiterer Workshop statt, bei dem über das Thema Inklusion bei kulturellen Veranstaltungen diskutiert wird. Im November folgt ein dritter Anlass im Kulturhaus Odeon, im Januar dann im Stapferhaus Lenzburg.