Mehrere Meter tiefer Krater mitten auf dem Feld: Das steckt dahinter – es ist nicht der erste Einsturz in diesem Gebiet
Plötzlich klafft ein grosses Loch mitten auf dem Feld: Eine Ausdehnung von zehn auf acht Meter weist das mehrere Meter tiefe Einsturzloch auf dem Reuenthaler Plateau auf. Der Gemeinderat von Full-Reuenthal rät dringend davon ab, den etwa eine Hektare grossen Gefahrenbereich zu befahren oder zu begehen, wie er im Mitteilungsblatt schreibt. Das ist nicht der erste Fall dieser Art: Seit 2012 entstehen im Gebiet «Ried» nördlich von Reuenthal immer wieder Risse und Löcher in der Erde.
Im Frühling 2012 senkte sich rund 40 Aaren Landwirtschaftsland rund anderthalb bis zwei Meter ab. Der durch das Gebiet führende Feldweg wurde gesperrt, das Ackerland konnte längere Zeit nicht bewirtschaftet werden. Als Ursache vermutete ein Ingenieurbüro damals einen Erdfall im Inneren der Fullerhalde.
In diesem mächtigen, rund 80 Meter hohen Kalkfels befindet sich das gleichnamige Gipswerk mit einem rund 20 Kilometer langem Stollensystem. Zuerst wurde dort Gips abgebaut, danach Anhydrit, und zuletzt nutzte die vor zwei Jahren eingestellte Kuhn Champignon AG die Stollen für ihre Pilzzucht. 1989 wurde das Bergwerk endgültig stillgelegt, rund 100 Jahre nach dessen Eröffnung. Die Eingänge wurden danach verschlossen und die Umgebung renaturiert. Heute nutzen Fledermäuse die stillgelegten Stollen als Winterquartier.
Das 2012 abgesackte Feld lag über einem ungewöhnlich grossen Stollen. Das an der Stilllegung des Gipsbergwerks beteiligte Ingenieurbüro erklärte damals, dass über der gips- und anhydrithaltigen Schichten mächtige Felsschichten des Oberen Muschelkalks liegen. Laut Erkenntnissen des Büros führten Lösungsvorgänge durch Wasser zu einer Verkarstung im Muschelkalk, also zu einer Verwitterung respektive Korrosion des Gesteins.
Dadurch konnten sich Schlote bilden, also senkrechte Tunnel. Bricht ein solcher Karstschlot in die Stollen des ehemaligen Gipsbergwerkes ein, rutscht der darüber liegende Schotter in diese hinein und verfüllt sie. Das passierte gemäss Ingenieurbüro schon mehrmals – auch während des Gipsabbaus.
Reuenthaler Plateau ist zerklüftet und verkarstet
Im Herbst 2013 nahm die Besitzerin des früheren Gipswerks, die Hunziker AG, Sondierbohrungen vor. Diese ergaben, dass sich unter den Boden- und Verwitterungsschichten fester Fels aus Dolomit und Muschelkalk befand, aber stellenweise auch nur Lockergesteinsablagerungen. Bei diesen handle es sich um alte Hohlraumfüllungen, schrieb der Gemeinderat damals.
Der Fels im Reuenthaler Plateau sei weit mehr zerklüftet und verkarstet als bisher angenommen. Sogenannte Karsthohlräume seien im Untergrund weit verbreitet, weshalb es auch künftig und ausserhalb des ehemaligen Bergwerkareals zu Absenkungen kommen könne. Eine Gefahr für die Bevölkerung wurde damals ausgeschlossen.
Auch das aktuelle Einsturzloch könnte im Zusammenhang mit dem Karstgebiet stehen. Der Gefahrenbereich liess der Gemeinderat bereits mit Holzpfählen markieren, um die Sicherheit der Landwirte, die das Ackerland bewirtschaften, der Spaziergänger, Radfahrerinnen und Reiter zu gewährleisten.
Da auch der Flurweg Richtung Chrützli im Gefahrenbereich liegt, musste dieser ebenfalls gesperrt werden. Eine Umleitung, wie man den beliebten Aussichtspunkt dennoch erreichen kann, wurde signalisiert. Eine Begehung mit Vertretern der Holcim AG, der Jäckli Geologie AG und des Gemeinderates wurde gemäss Mitteilungsblatt bereits durchgeführt.