Auf in die Vergangenheit: Wie eine Dampflok aus dem Seetal nach Hochdorf und jetzt nach Möriken-Wildegg kam
Er sei halt ein Spinner. Das sagte Marco Suter zur AZ beim ersten Besuch auf dem Schotterplatz vor rund einem Jahr. Damals öffnete Suter die Tür zu seinem Eisenbähnler-Paradies mit echtem, alten Schalter, mechanischen Billett-Druckmaschinen, alten Bahnhofsschildern, Modelleisenbahnen, und vielem, wirklich sehr vielem mehr.
Diesmal öffnet er eine andere Tür im Gebäude an der Hornimattstrasse 22b in Möriken-Wildegg. Und dahinter verbirgt sich seit Montag etwas deutlich Grösseres, das auf deutlich breiteren und schwereren Schienen steht: eine Dampflok, Baujahr 1894, die früher im Seetal verkehrte.
«Das waren Arbeitstiere»
Wie ist denn das passiert? Der Verein Historische Seethalbahn (der sich aus historischen Gründen mit «h» schreibt) müsse wohl auch mitbekommen haben, dass er ein Spinner sei, scherzt Marco Suter. Denn der Verein habe ihn angefragt, ob er Interesse an der Loki habe. Und Suter? Sagte selbstverständlich ja. Natürlich auch, weil das historische Gefährt ein Publikumsmagnet ist und er Besucherinnen und Besuchern an den regelmässig stattfindenden Publikumstagen auf dem Schotterplatz damit eine Freude machen kann. Aber auch, weil sein eigenes Herz beim Anblick der Loki hüpft.
Insbesondere, weil sie in vielen Teilen original erhalten ist – und vom Verein Historische Seethalbahn liebevoll gepflegt wurde. Und sie wäre auch fahrfähig. Nur mit den Steigungen im Seetal, Suter spricht von 38 Promille um Beinwil am See herum, hat die «NOB 456» Mühe. Der Verein kann sie also nicht für Publikumsfahrten einsetzen; anders etwa die nur wenige Jahre ältere «Beinwyl». Er möchte das aber gerne tun, sprich, die Loki wieder ganz fit machen. Da sowohl der Verein als auch der Schotterplatz aber auf Nonprofit-Basis agieren, muss dafür erst einmal Geld gesammelt werden. Deshalb steht die kleine Lok nun mal sicher für die nächsten Jahre in Möriken-Wildegg.
Der Transport von Hochdorf her, wo der Verein eine Remise hat, habe reibungslos geklappt, sagt Suter. Die Lok sei ja auch «nur» 25 Tonnen schwer; vergleichsweise ein Leichtgewicht. Aber: «Das waren Arbeitstiere», sagt Suter über das Modell, das früher gerne von Industrien genutzt wurde. Stark und zuverlässig; die Zementfabrik in Holderbank und die Brauerei Feldschlösschen nutzte sie. 33’085 Franken kostete das Gefährt damals. Inzwischen gebe es nicht mehr viele Modelle, schon gar nicht so gut erhaltene.
Eine Rampe, damit alle reinsehen können
Neben dem in dunklen Farben gehaltenen Arbeitstier steht ein quietschgelbes, grösseres Exemplar: ein ehemaliger Triebwagen der Wengernalpbahn, der zwischen Lauterbrunnen und der Kleinen Scheidegg zum Einsatz kam. Die Züge wurden nach und nach ausrangiert und entsorgt – ausser eben jenes Exemplar, das nun auf dem Schotterplatz zu bewundern ist. Die Sitze sind inzwischen draussen, stattdessen soll hier Ausstellungsfläche entstehen. Bis zu den Wildegger Museums- und Modellbautagen auf dem Schotterplatz am 13. und 14. April soll das passiert sein.
Und noch etwas möchte Suter bis dann gebaut haben: eine Rampe zwischen den beiden Fahrzeugen. Auch das: eine Herzensangelegenheit. Immer wieder hätten sie Besucherinnen und Besucher im Rollstuhl oder mit Rollatoren. Diese hätten kaum je die Möglichkeit, sich wie alle anderen den Führerstand einer Lok anzusehen. Auf dem Schotterplatz soll das anders werden.
Die ehemals grösste Bahnhofsuhr
Zu sehen gibt’s dort auch sonst so einiges – und immer wieder Neues. Irgendwo machts ziemlich laut «Ticktack». Wer dem Geräusch folgt, steht plötzlich vor einer riesigen Bahnhofsuhr. «Sie war bis vor einiger Zeit die grösste in der Schweiz und hing in Bern», sagt Suter. Und jetzt? Ist sie in Möriken-Wildegg – und die grösste Bahnhofsuhr der Schweiz hängt in Aarau.
Auch auf der Modellanlage hat sich im vergangenen Jahr einiges getan. Neue Figuren, Landschaften, eine Seilbahn, eine Schoggifabrik. Bei den Publikumstagen seien jeweils gegen 80 bis 100 Leute da, «und wir haben einige Wiederholungstäter», sagt Suter schmunzelnd. Sie kämen regelmässig, um zu sehen, was sich so verändert hat. Diesmal müssen sie nicht lange suchen – das neuste Stück ist sehr gut sichtbar.