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«Unsere Zukunft ist gefährdet»: Im Tessin wagen die Bergbauern den Aufstand wegen des Wolfs

Nach Ziegenrissen durch den Wolf im Maggiatal fordern die Landwirte ein unverzügliches Handeln der Politik. Ansonsten sterbe die Alpwirtschaft.

Verbitterung, Frustration und Wut: So lässt sich die Gefühlslage der Bergbauern im Maggiatal beschreiben. Doch es sind nicht die jüngsten Unwetter, welche die Gemüter erhitzen, obwohl diese bereits viel Unheil angerichtet haben. Für Unmut sorgt der Wolf, der sich auch in der Region des oberen Maggiatals ausbreitet und viel Schaden anrichtet. Erst kürzlich wurden auf der Alp Zaria Ziegen gerissen. Bergbauer Valerio Tabacchi, der seine Tiere auf dieser Alp sömmert, hat diese daher einen Monat früher als geplant ins Tal gebracht.

«Ich liebe meine Arbeit, aber so hat es keinen Sinn mehr», sagte der 64-Jährige im Rahmen einer Medienkonferenz in Lodano. «Wir sind in grosser Sorge, unsere Zukunft ist gefährdet», doppelte der junge Züchter Matteo Ambrosini vom Tessiner Verband für Alpwirtschaft (STEA) nach. Er verwies darauf, dass sich die vom Bund empfohlenen Herdenschutzmassnahmen in der Region nicht umsetzen liessen.

Bereits vor einer Woche hatten die Bauern ihrem Ärger Luft gemacht, als die Kantonsregierung die vom Unwetter betroffene Region im oberen Maggiatal besuchte. Bei dieser Gelegenheit wurde die provisorische Militärbrücke von Cevio symbolisch besetzt. «Basta Lupi!» (Schluss mit den Wölfen) stand auf einem Riesenplakat. In einem Auto- und Traktorenkorso ging es bis nach Prato Sornico.

Die Zahl der Alpwirtschaften schrumpft

Der kantonale Umweltdirektor Claudio Zali (Lega) hatte bei dieser Gelegenheit gegenüber den Medien erklärt, dass die Zahl der Wolfsangriffe auf Nutztiere in den letzten Jahren abgenommen habe, obwohl mehr Wölfe im Kantonsgebiet lebten. Seiner Meinung nach zeigt dies, dass entsprechende Schutzmassnahmen gewirkt haben. Diese Aussage wiederum erzürnte die Bergbauern. Zali habe das Problem nicht verstanden oder wolle es ignorieren. Die Zahl der Alpwirtschaften schrumpfe beständig.

Für den Präsidenten des Tessiner Bauernverbandes UCT, Omar Pedrini, ist die Situation gravierend: «Wenn wir die Alpwirtschaft aufgegeben, werden wir auch die Landwirtschaft im Tal verlieren.» Denn beide seien eng miteinander verwoben. Die Situation sei gerade für das Maggiatal schwierig, denn in keinem Bezirk des Tessins werden mehr Ziegen auf die Alpen gebracht – mehr als 2000 Stück. Im Jahr 2021 waren noch 41 Alpen bestossen.

Auch eine Käsesorte ist bedroht

Doch der Trend zeigt abwärts. Gemäss dem Präsidenten des Verbandes der Talgemeinden im Maggiatal (Ascovam), Michele Rotanzi, ist mit dieser Entwicklung auch ein einmaliges Spitzenprodukt gefährdet: der hälftig aus Ziegen- und Kuhmilch gefertigte Käse namens Vallemaggia. Zudem sei die Aufgabe von Alpen zum Nachteil für den Tourismus, der eine wichtige Einnahmequelle für die Region darstelle.

Was tun? Gefordert wird ein unmittelbarer Abschuss der Wölfe auf dem Territorium. Dies hat auch die Gemeinde Lavizzara in einem Schreiben an den Staatsrat verlangt: «Es braucht nun eine unmittelbare Reaktion und endlich die Möglichkeit für die Älpler, diese bösartigen Tiere (im Sinne der legitimen Selbstverteidigung) abzuschiessen.» Andernfalls zerstörten diese die Berglandwirtschaft und damit das Überleben ganzer Familien in Randregionen.

Einen kleinen Schritt hat der Kanton Tessin indes gemacht: Neu dürfen private Jäger die Wildhüter ab September bei angeordneten Wolfsabschüssen unterstützen – unter bestimmten Voraussetzungen. Fast 400 Interessierte haben sich für Informationsabende angemeldet.