Nach Hamas-Tweets: So will die Uni Bern künftig Islamwissenschaften lehren – das passiert mit der umstrittenen Professorin
Nach der Auflösung des Instituts für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften (ISNO) als Folge der Hamas-Tweets eines Mitarbeitenden krempelt die Universität Bern ihre Lehre für Religionswissenschaften um. Neu wird es an der Philosophisch-historischen Fakultät ein Departement geben, in welchem Sozialanthropologie, Religionswissenschaft und Vorderorientalische Sprach- und Kulturwissenschaft zusammenarbeiten.
Hintergrund der Umstrukturierung ist ein am Donnerstag publizierter Bericht. Diesen hatte die Uni Anfang Jahr in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die Lehre der Religionswissenschaften sowohl inhaltlich als auch methodisch breiter auszurichten. Folge: Nach den antisemitischen Vorfällen werden die Islamwissenschaften in der bisherigen Breite zurückgestuft respektive unter dem Dach des neuen Departements in einen grösseren Zusammenhang mit anderen Religionen überführt.
Zudem will die Universität unter dem Dach des neuen Departements die Kooperation der Islamwissenschaften mit der Judaistik verstärken. Dies soll die methodologische und inhaltliche Vielfalt sicherstellen.
Dozent wegen Hamas-Tweet fristlos entlassen
Laut Uni-Rektorin Virginia Richter hat der Bericht den Auftrag «vollumfänglich» erfüllt. Sie sei überzeugt, dass mit der nun getroffenen Schaffung des Departements für Sozialanthropologie und Kulturwissenschaftliche Studien «eine innovative und zukunftsweisende Lösung gefunden worden» sei.
Das aufgelöste ISNO wird in der künftigen Struktur mit dem bisherigen Institut für Religionswissenschaften vereint. Wie der zuständige Dekan Peter Schneemann vor den Medien ausführte, ist die neuen Struktur bereits per sofort in Kraft. Die Umsetzung werde jedoch Zeit benötigen. Zudem sagte Schneemann, diese engere Verzahnung verschiedener Bereiche sei auch für Studierende interessanter.
Alles hatte mit zwei Tweets begonnen – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.Am Tag nach der grausamen Hamas-Attacke gegen Israel bezeichnete ein Dozent der Uni Bern diese als «bestes Geschenk». Der Mann, der ursprünglich aus Ägypten stammt, arbeitete am ISNO. Nach Medienberichten entliess ihn die Universität fristlos.
Doch damit war die Sache nicht ausgestanden. In die Kritik geriet eine der beiden Co-Leiterinnen des Instituts, Serena Tolino – pikanterweise auch die Ehefrau des entlassenen Dozenten. Sie hatte die Tweets ihres Partners in einer ersten Reaktion lediglich als «inopportun» bezeichnet und erklärt, ihnen läge «keine antisemitische Intention» zugrunde. Zudem hatte sie am Tag des Hamas-Massakers selbst heikle Tweets «geliked».
Nach ersten Abklärungen griff die Uni durch
Die Administrativuntersuchung hatte zudem aufgezeigt, dass nebst Führungsmängeln am Institut schon länger ein Konflikt schwelte. Seinen Anfang nahm dieser mit einem Wechsel: Auf den bekannten Islamwissenschafter Reinhard Schulze folgte im Februar 2020 Tolino.
Hauptkritik der Administrativuntersuchung: Die Mitarbeitenden des ISNO wurden aus dem Netzwerk der Italienerin rekrutiert. Tolinos wissenschaftliche Arbeit wurde jedoch nicht bemängelt. Das bestätigte in der Folge auch eine Untersuchung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF).
Die Universität Bern gab weiter eine Administrativuntersuchung in Auftrag.Als Folge davon ist das ISNO im vergangenen Februar aufgelöst worden. Tolino kassierte eine personalrechtliche Abmahnung, darf aber als Professorin an der Uni bleiben.Und das soll auch mit der neuen Struktur so bleiben, wie am Donnerstag bekannt wurde: Tolino und ihre ehemalige ISNO-Co-Leiterin Nijmi Edres werden im neuen Departement einen Teilbereich leiten und auch im Direktorium Einsitz nehmen.