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«Sofort auflösen»: Daniel Koch und der Chef des Gewerbeverbands fordern Abschaffung der Covid-Taskforce

Die Wissenschaftstaskforce des Bundes geniesst mit ihren Einschätzungen und Empfehlungen grossen Einfluss. Doch nun, wo manche Politiker das Ende der Pandemie näher kommen sehen, wird das Gremium in Frage gestellt. «Keine demokratische Legitimation» gebe es dafür, sagt der Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler.  Auch Daniel Koch, Ex-Mister-Corona, äussert sich dezidiert. 

Fast wöchentlich sorgt die wissenschaftliche Corona-Taskforce mit ihren Prognosen und Modellrechnungen für Schlagzeilen. Und das seit bald zwei Jahren: Bereits Ende März 2020 setzte der Bundesrat das 25-köpfige Beratungsgremium ein. Die Expertinnen und Experten der Taskforce haben in erster Linie die Aufgabe, «die politischen Behörden und Entscheidungsträger bei der Entscheidungsfindung im Kontext von Covid-19 wissenschaftlich zu unterstützen» und beraten.

Doch die Prognosen der Taskforce stehen in der Kritik: Die Voraussagen seien alarmistisch, die Empfehlungen würden den Aspekt der Gesundheit massiv stärker gewichten als wirtschaftliche oder soziale Faktoren.

Es existierte bereits vor der Pandemie ein Beratergremium

Diese Vorwürfe stammen unter anderem von Hans-Ulrich Bigler, dem Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. Der ehemalige FDP-Nationalrat will die Covid-Taskforce per sofort auflösen und «den ordentlichen gesetzlichen Zustand wieder herstellen». Seiner Forderung liegt die Tatsache zu Grunde, dass seit Jahren eine ausserparlamentarische Kommission besteht, die sich um die wissenschaftliche Beratung der Bundesverwaltung in der Vorbereitung auf Pandemien zu kümmern hat. Es ist dies die eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP). Gemäss Ausführungen auf der Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) kommt der EKP die Aufgabe zu, «im Ereignisfall eine beratende Funktion in Sachen Lage- und Risikobeurteilung sowie in der Wahl der Strategien und Massnahmen zur Bewältigung einer Pandemie» zu übernehmen.

«Es ist nicht verständlich, dass die EKP seit Beginn der Covid-Krise kein einziges Mal getagt hat», so Bigler. Stattdessen habe der Bundesrat eine wissenschaftliche Taskforce einberufen, der jegliche demokratische Legitimation entbehre.

Bigler streitet nicht ab, dass die Wissenschaft einen unabdingbaren Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leiste. Doch: «Mit den Aussagen der Taskforce wird immer auch politisiert, statt dass beraten würde. Das Gremium treibt den Bundesrat vor sich her, übt mit seinen Empfehlungen Druck aus und verbreitet schlechte Stimmung in der Bevölkerung», sagt Bigler. Darunter leide in erster Linie die Wirtschaft. Durch die Restriktionen entstünden Milliardenschäden.

Auch Daniel Koch bezeichnet Existenz der Taskforce als «absoluten Fehler»

Inoffizielle Unterstützung erhält Bigler von prominenter Seite: Daniel Koch, der ehemalige Leiter übertragbare Krankheiten beim BAG, soll an der Gewerblichen Winterkonferenz in Klosters bestätigt haben, dass die blosse Tatsache der Existenz der Taskforce «ein absoluter Fehler» der Bundesverwaltung sei und korrekterweise die vom Bund eingesetzte, demokratisch legitimierte Pandemiekommission hätte mobilisiert werden müssen. Das bestätigen mehrere Personen, die an der Konferenz vergangene Woche teilgenommen haben.

Auf Anfrage teilt Koch mit, dass er diese Aussagen weder kommentiere noch dementiere. Die Einsetzung der Taskforce sei etwas, was man im Nachgang an die Pandemie evaluieren müsse.

Die Taskforce selbst verteidigt ihr Dasein:

«Es ist unerlässlich, dass die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die nationale Pandemiebekämpfung einfliessen.»

Die regelmässigen Analysen und Informationen der Taskforce seien eine wichtige Grundlage für politische Entscheide. Und das werde auch so bleiben: «Die Science-Taskforce wird ihre Verantwortung im Rahmen des Mandates, welches bis Ende Mai 2022 läuft, weiterhin wahrnehmen.»

Die Biostatistikerin und Mathematikern Tanja Stadler präsidiert die wissenschaftliche Covid-Taskforce seit vergangenem Sommer.

Diese Haltung stützt auch der Bundesrat. In einer Stellungnahme auf eine Interpellation im Nationalrat schreibt er: «Die EKP ist in erster Linie für die Pandemievorbereitung zuständig. Während einer Pandemie tritt diese Funktion entsprechend in den Hintergrund.» Der Name EKP suggeriere eine Beteiligung der Kommission bei Fragen der Bewältigung. Doch: «Die Aktivität der Kommission als Gesamtorgan während einer Krise ist nicht vorgesehen und entspricht so nicht der Kernaufgabe der EKP.»

Ende der Pandemie in Sicht: Der Zeitpunkt stimmt

Dass Bigler genau jetzt mit seiner Forderung kommt, dürfte einen guten Grund haben: Mit der raschen Verbreitung von Omikron und der daraus resultierenden hohen Immunität in der Bevölkerung steht das mutmassliche Ende der Pandemie bevor. Das bot diese Woche Anlass für einen Auftritt von mehreren Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Politikern. In einer gemeinsamen Medienkonferenz forderten sie am Dienstagvormittag die vorzeitige Aufhebung der Coronamassnahmen. Mit seiner Forderung nach einem Ausstieg aus der Pandemie und der damit verbundenen Auflösung der Taskforce steht Bigler also nicht alleine da.