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Ist das Schlimmste vorbei? Darauf kann die Ukraine im neuen Jahr hoffen

Auch wenn der designierte US-Präsident Trump eine Lösung für den Krieg in der Ukraine sucht: Es wird weder schnell gehen noch einfach sein, mit Putin dauerhaften Frieden zu schliessen.

Die Ukraine blickt auf das bisher schlimmste Kriegsjahr zurück: Wegen der Versäumnisse der politischen Führung hat das Land viel zu spät neue Soldaten rekrutiert. Der daraus resultierende Personalmangel und die halbherzigen Versprechen von US-Präsident Biden, ausreichend Kriegsmaterial zu liefern, haben die Armee dazu gezwungen, sich an den am heftigsten umkämpften Frontabschnitten langsam zurückzuziehen. 2024 sind schätzungsweise etwas mehr als 3300 Quadratkilometer an die Russen verloren gegangen. Das entspricht knapp 0,6 Prozent der Landesfläche.

Nicht einmal 0,6 Prozent in einem ganzen Jahr, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Für ein kleines Stück Land von der ungefähren Grösse des Kantons Waadt hat Diktator Putin das Blut von – konservativ geschätzt – Zehntausenden russischen Soldaten vergossen. Ausserdem läuft es in Russlands Wirtschaft nicht gut. Sie leidet unter den hohen Rüstungsausgaben und den Sanktionen. Ohne Chinas Schützenhilfe ginge gar nichts mehr. Die Leitzinsen stehen mit 21 Prozent auf einem Rekordhoch, und der Wert des Rubels liegt im Keller.

Moskau gewinnt an der Propagandafront

Am erfolgreichsten ist Russland an der Propagandafront. Im Westen glauben viele inzwischen, dass die Ukraine kurz vor dem Zusammenbruch stehe. Doch in Wirklichkeit kämpfen die Ukrainer – mit all ihren Fehlern – verzweifelt um jeden Quadratkilometer. Und den Russen fehlt es immer mehr an Panzern und Transportfahrzeugen, sodass sie bei Angriffen sogar Motorräder, Trottinetts und Lada-Personenwagen aus der Sowjetzeit einsetzen. Gäbe es da nicht die nordkoreanischen Artilleriegranaten, wäre Russland schon fast ausgeschossen.

Trumps Konzept für eine Friedenslösung ist bis jetzt vage, irgendetwas von Einfrieren der Frontlinie, Waffenstillstand und Friedenstruppen, die aber nicht aus Amerikanern bestehen sollen. Bekanntlich redet der designierte amerikanische Präsident viel, wenn der Tag lang ist, doch Putin hat es nicht eilig mit Frieden. Er hat seine Ziele in der Ukraine bei weitem nicht erreicht, und seine Generäle mögen ihm einreden, dass er im Begriff sei, den Krieg zu gewinnen.

Wie Russlands Aussenminister Lawrow vor kurzem klargemacht hat, möchte der Kreml auch, dass die USA um Friedensgespräche bitten. In einer optimistischen Sicht mag es zu Verhandlungen zwischen Washington und Moskau kommen, vielleicht sogar zu einem temporären Waffenstillstand im Jahr 2025. Aber eine dauerhafte Friedenslösung? Zwar ist es durchaus möglich, dass am Ende ein Papier unterschrieben wird, doch wann hat sich Putin jemals an Abmachungen gehalten?

Kompromissbereitschaft in Kiew

Auf der anderen Seite hat sich die Ukraine offiziell von der Vorstellung verabschiedet, die insgesamt 19 Prozent ihres Territoriums, die Russland seit 2014 besetzt hat, mit Waffengewalt zurückzuholen. Doch das bedeutet nicht, dass die ukrainische Bevölkerung am Ende weitgehende Gebietskonzessionen akzeptieren wird. Kiew signalisiert eine gewisse Kompromissbereitschaft, hofft aber insgeheim, dass Moskaus Ränkespiel Trump irgendwann auf die Nerven geht und er Putin unter Druck setzen wird, indem er die Ukraine mit mehr Waffen versorgt.

Sollte das Umgekehrte geschehen, also weniger Kriegsmaterial aus den USA und Europa, wird die ukrainische Armee früher oder später zusammenbrechen oder zumindest grosse Teile des Landes aufgeben müssen. Auch in diesem Szenario wäre ein fairer und dauerhafter Frieden unwahrscheinlich. Der Kreml würde vielmehr auf die Kapitulation der Ukraine setzen.

Am wahrscheinlichsten erscheint es, dass der Krieg trotz Verhandlungen vorerst weitergeht. Einen echten Frieden – für die Ukraine, aber auch für den Rest von Europa – wird es erst geben, wenn Putins imperialen Ambitionen ein Ende gesetzt wird. Man nennt es Frieden durch Stärke. Ob die USA und Europa dazu willens sind, muss nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre bezweifelt werden.