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Dieses Aargauer Getränk wurde in Deutschland ausgezeichnet – der Start endete fast in einem Super-Gau

Das alkoholfreie Traubengetränk «Vertschi» hat den German Brand Award gewonnen. Wir haben die Winzerei von Mitte-Grossrat Andreas Meier in Würenlingen besucht. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass bei den Weinliebhabern nicht immer alles glatt ging.

Andreas Meier voll in seinem Element: Zwischen seinen Weinreben in Würenlingen erklärt er den Unterschied zwischen «Vertschi»-Trauben und normalen Weintrauben. «Die Trauben können wir nur in einem Zeitraum von ein paar Tagen ernten», sagt der Winzer und Aargauer Mitte-Grossrat und zeigt dabei auf die Pflanzen, die Anfang Juni noch sehr kleine Früchte tragen.

Die Säure macht’s nämlich aus. Die ist beim Zeitpunkt der Ernte am grössten, die Traube ist so sauer wie nur möglich. Ein paar Tage später und man könne daraus süssen Traubensaft herstellen, meint Meier. «Wir dürfen während dieser Zeit nicht in die Ferien gehen, sonst war alles für nichts», fügt er lachend hinzu.

Winzer Andreas Meier erklärt im Video den Unterschied zwischen den Trauben, die für «Vertschi» verwendet werden und normalen Weintrauben:

Saure Trauben also, die in der Weinproduktion normalerweise im Abfall landen, in ein geniessbares Getränk umwandeln? Genau das hat in Würenlingen das Team rund um «Vertschi» geschafft. Das Getränk hat einen ganz eigenen Geschmack. Sogar René Utiger, der für das Marketing zuständig ist, tut sich schwer, passende Wörter zu finden: «Ich kann nicht genau beschreiben, wie ‹Vertschi› schmeckt. Man muss es selber probieren.»

Aufwendige Produktion

Seit 2016 gibt es das Getränk schon, aber erst im November letzten Jahres wurde mit dem Rebranding das Design luxuriöser und moderner. Das alte Design wirkte laut René Utiger auch nicht hochwertig. Mit der Neuvermarktung wollten sich die Gründer neu positionieren und ihre Zielgruppe, die gehobene Gastronomie und Privatkunden, besser ansprechen.

Doch wie kommt man eigentlich auf die Idee, aus äusserst sauren Trauben ein Getränk herzustellen? Der Grund, die Trauben vor dem Abfall zu schützen und die Reste zu verwerten, stimmt dabei nur teilweise. Die Produktion sei aufwendig, die man nicht einfach nebenbei laufen lassen könne, meint Meier. Vor allem ein Verfahren, die Kelterung, sei im Vergleich zur Weinproduktion viel anspruchsvoller, erklärt Meier.

Viel eher fehlte den Gründervätern eine alkoholfreie aber zugleich geschmacklich attraktive Weinalternative. «Alkoholfreier Wein hat einfach kein Aroma, das ist nicht schön», sagt René Utiger. Zudem gebe es immer wieder Momente, in denen Alkohol unpassend sei. «Zu unseren Kunden zählen sehr viele schwangere Frauen», erklärt Meier.

Markus Utiger.
Sandra Ardizzone

Vor allem bei Apéros soll so eine Lücke geschlossen werden. Es sei blöd, wenn es dort nur entweder Wein oder Süssgetränke mit viel Zucker gebe, meint Meier. Das Getränk soll aber nicht als alkoholfreier Wein bezeichnet werden: «‹Vertschi› ist eine Wein-Ergänzung und eine Bereicherung für die Weinwelt», meint René Utiger.

Anerkennung für die Arbeit

Das «Vertschi»-Team hat mit der Neuvermarktung des Getränks den German Brand Award in der Kategorie «Excellence in Brand Strategy and Creation – Brand Design Product Design» gewonnen.

Der German Brand Award ist einer der reichweitenstärksten und renommiertesten Marketingpreise im deutschsprachigen Raum. «Es ist eine Anerkennung und eine Bestätigung für unsere Arbeit», sagt René Utiger. «Es ist eine Adelung», meint Andreas Meier.

«‹Vertschi› ist schon ein kleines Statussymbol. Es ist ein Unterschied, ob ich eine Red-Bull-Dose oder eine ‹Vertschi›-Glasflasche auf dem Tisch stehen habe», meint Markus Utiger, der eine führende Rolle im Marketing innehat.

Markus (links) und René Utiger an der Preisverleihung in Berlin.
zVg

Lust auf mehr

Leicht säuerlich schmeckt das Getränk. Es ist aber nicht zu sauer wie frisch gepresster Zitronensaft. Die Kohlensäure, von der es nicht zu viel gibt, wirkt erfrischend. «Es ist perfekt für Apéros oder Restaurants, da man beim Trinken Lust auf mehr bekommt», betont Meier. Zudem passe es in die heutige Zeit. «Bei einem Menu mit viel Gängen kannst du nicht jedes Mal zwischen den Gängen ein Glas Wein trinken», sagt Meier lachend.

«Vertschi» gibt es in zwei Versionen: Original weiss und in Rosé mit roten Schweizer Kirschen.
Sandra Ardizzone

Das alkoholfreie Getränk gibt es nicht in Supermärkten zu kaufen, sondern nur im Onlineshop, im ausgewählten Gourmet-Handel und in der Gastronomie. «Wir wollen Qualität statt Quantität», sagt René Utiger. So wollen die Hersteller nicht unbedingt zu einem riesigen Unternehmen heranwachsen und ihre Flaschen sollen auch nicht in den Regalen der Supermärkte stehen, die Exklusivität und der Kontakt zu den Kunden sei ihnen wichtiger. «Vertschi» wird vor allem für die gehobene Gastronomie, für Privatkunden oder auch für «Liebhaber», wie Meier sie nennt, hergestellt.

«Alles, was in ‹Vertschi› steckt, kommt aus der Region», sagt er. Auch die Produktion sei vollständig im Zurzibiet. «Das Getränk ist ein Naturprodukt ohne zugesetzten Zucker und darauf sind wir stolz», meint René Utiger.

Der Super-Gau in der Anfangszeit

Aber auch bei den Weinliebhabern ging bei der Entwicklung von «Vertschi» nicht alles glatt: Als das Getränk noch in den Kinderschuhen steckte, passierte bei der Produktion der Super-Gau: Das Wasser, mit dem sie die Flaschen vor dem Abfüllen reinigten, war mit einer sonst ungefährlichen Substanz kontaminiert.

Das Resultat: Rund 3000 Liter «Vertschi» mussten weggeschüttet werden, da der Geschmack sich verändert hatte und ein ganzer Anhänger mit Glasflaschen ging ins Recycling. «Bei jeder Produktentwicklung gibt es Rückschläge, das ist ganz normal», sagt Markus Utiger, der mittlerweile teilweise auch mit einem lachenden Auge auf den Rückschlag zurückblicken kann. Nach dem Fehler wurde ein spezieller Wasserfilter angeschafft, sodass sich das Horror-Szenario nicht wiederholt.

Das «Vertschi»-Team ist mit elf Personen in die deutsche Hauptstadt Berlin gereist, um den German Brand Award entgegenzunehmen. Vielleicht lassen sich auch dort, rund 660 Kilometer entfernt von Würenlingen, ein paar «Liebhaber» für «Vertschi» finden.