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Wie bei einem Schalter: PSI-Forschende können Zellfunktionen durch Lichtimpulse steuern

Forschenden des Paul Scherrer Instituts (PSI) ist es gelungen, die Struktur bestimmter Fotorezeptoren aufzuklären. Mithilfe von Lichtimpulsen können Zellfunktionen an- und ausgeschaltet werden.

Schon lange träumen Forschende in Biologie und Medizin davon, die Aktivitäten von Zellen zu steuern, ohne dass sie Chemikalien einsetzen müssen. Ideal wäre eine Art Fernsteuerung für Zellen, mit der man die Funktionen einzelner Organe besser untersuchen und verstehen und die man sogar zu therapeutischen Zwecken einsetzen könnte.

Eine Fernsteuerung per Licht wäre dafür optimal. Allerdings benötigt ein solches Verfahren auch einen zellulären Lichtempfänger in den entsprechenden Organen. Dafür eignen sich jene Lichtrezeptoren, die etwa in der Netzhaut unserer Augen Lichtimpulse aufnehmen: Rhodopsine.

Mit manchen dieser Fotorezeptoren könnten sich bestimmte Zellfunktionen per Lichtimpuls an- und ausschalten lassen. Das würde schneller und gezielter wirken als Medikamente. In den Neurowissenschaften funktioniert etwas Ähnliches bereits, allerdings nur bei Nervenzellen. Ziel der Forschung ist es jedoch, auch weitere Zellen und Organe im Organismus zu stimulieren, um vielerlei Körperfunktionen zu steuern.

Fördermittel über acht Millionen Euro erhalten

Forschende um Gebhard Schertler vom PSI Center for Life Sciences arbeiten daher an einer neuen Art der Optogenetik. Bei dieser werden Lichtrezeptoren aktiv, die den Rhodopsinen unserer Netzhaut ähneln: Ausgelöst durch den Lichtimpuls koppeln sie sich an Proteine der Zelle und stossen so gewisse zelluläre Signalprozesse an, wie sie in allen Organen stattfinden. Dazu haben sich die PSI-Forschenden mit führenden Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und England zusammengetan und einen der begehrten ERC-Grants eingeworben: Fördermittel des Europäischen Forschungsrates von fast acht Millionen Euro.

Die Strukturaufklärung von Proteinen ist eine Kernkompetenz des PSI in Würenlingen und Villigen. Und so sind PSI-Forschende nun wesentliche Schritte vorangekommen, wie sie in zwei neuen Studien vermelden: Zum einen ist es gelungen, ein passendes Rhodopsin zu finden und so zu modifizieren, dass es auch im aktiven Zustand stabil bleibt, um sich untersuchen zu lassen. Und zum zweiten konnte die Struktur dieses aktiven Zustands mithilfe eines Kryo-Elektronenmikroskops an der ETH Zürich aufgeklärt werden.

Rhodopsine sind Proteine und zählen zu den wichtigsten Fotorezeptoren in der Tierwelt. Auch in der Netzhaut menschlicher Augen sitzen Rhodopsine. Sie sind unter anderem in deren Stäbchenzellen für die Unterscheidung von Hell und Dunkel bei Nacht verantwortlich. Allerdings: Hat sich das Retinal einmal durch Licht verändert, so verlässt es das Protein und muss wieder regeneriert werden.

Viele wirbellose Tiere dagegen wie Spinnen haben bistabile Rhodopsine. Der Vorteil für die Optogenetik: Das Retinal verbleibt nach dem Einschalten im Protein und kann mit einem zweiten Lichtimpuls sofort wieder seine Ursprungsform annehmen und den Zellvorgang wieder ausschalten. Das Rhodopsin einer Springspinnenart qualifizierte es sich als möglicher optogenetischer Schalter.

Mit der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS am PSI liess sich die molekulare Struktur des Spinnen-Rhodopsins im inaktiven Grundzustand ermitteln. In einer kürzlich veröffentlichten Studie berichtet Erstautor Matthew Rodrigues nun, wie es gelang, den aktiven Zustand zu stabilisieren, um ihn strukturell aufklären zu können: durch eine winzige Abwandlung des Retinals.

In der zweiten Studie haben Erstautor Oliver Tejero und Letztautorin Ching-Ju Tsai genau dies getan. Mit zusätzlichen gentechnischen Modifikationen im eigentlichen Lichtrezeptor wurde zudem ein weiteres Problem gelöst. Das An- und Abschalten laufe nun bei unterschiedlicher Lichtfarbe ab, sagt Tsai. Damit kommt es nicht mehr zu einem Durcheinander zwischen aktivierten und deaktivierten Spinnen-Rhodopsinen.

Dieses gentechnische «Color-Tuning» steht allerdings erst am Anfang. Der nächste Schritt wird sein, wie die beteiligten Proteine gestaltet werden müssen, um sie auch mit anderen Lichtfarben steuern zu können. Damit liessen sich unterschiedliche Zellfunktionen gezielt an- oder abschalten. Ausserdem geht es darum, die Schalter auch für Infrarotlicht sensibel zu konstruieren, welches das Körpergewebe durchdringen kann.(az)