«Zentral ist an einem Krieg nicht nur das, was auf dem Kriegsschauplatz passiert.»
Der Politik- und Strategieberater Dr. Remo Reginold beobachtet als Direktor des Swiss Institute for Global Affairs die globalen Konfliktherde und analysiert deren Auswirkungen. Besonders im Fokus hat er seit ein paar Monaten die Ukraine, wo seit dem 24. Februar Krieg herrscht. Im ZT-Talk hat Reginold diese Woche eine Zwischenbilanz des Krieges gezogen. Er sagt: So desaströs wie oft dargestellt ist der Kriegsverlauf für die Russen gar nicht.
Die westliche Medienberichterstattung konzentriere sich stark auf die Hauptstadt Kiew. «Schauen wir in den Osten. Dort waren die Russen sehr erfolgreich und schlagkräftig.» Ausserdem beginne die westliche Allianz zu bröckeln. «Man sieht es in Deutschland, wie der Koalition das Auseinanderbrechen droht. England fährt ein Sonderzüglein. Macron beginnt eine Gegenposition zu Biden aufzubauen.» Diese Aspekte würden gerne ausgeblendet. «Zentral ist an einem Krieg nicht nur das, was auf dem Kriegsschauplatz passiert.»
Als kurzfristige Kriegsgewinner sieht Reginold die USA. «Die amerikanische Rüstungsindustrie profitiert extrem.» Die Rhetorik, in Europa müsse eine Kriegsmaschinerie aufgefahren werden, spiele den Amerikanern in die Hände. «Sie können sich zudem als moralisch überlegen positionieren, weil sie ihre Sanktionen knallhart durchsetzen.» Allerdings seien die Amerikaner auch nicht abhängig vom russischen Öl.
«Die Ukraine wird ein regionaler Brandherd bleiben. Putin hat es immer betont: Es geht ihm um die Donbass-Region und um einige neuralgische, strategische Punkte. Darauf wird sich der Konflikt vermutlich konzentrieren.» Die Auswirkungen auf andere Länder – auch die Schweiz – werden damit abnehmen. Aber: «Vielleicht ist es der Beginn eines grossen Krieges, von dem wir noch nicht verstanden haben, worum es geht.» Die Ukraine-Konflikt könnte dabei ein Brandbeschleuniger sein: «Er löst Nahrungskrisen aus, gerade im Mittelmeerraum und Nordafrika. Das führt zu neuen Flüchtlingsbewegungen.» Auch anderswo könnten Stellvertreterkriege zunehmen.