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«Zofingen»-Sammlung: Res Kaderli hütet einen riesigen historischen Schatz

Andreas «Res» Kaderli ist Stadtführer aus Leidenschaft. Entsprechend viel weiss er über die Thutstadt zu erzählen. Er hat unzählige historische Bilder zusammengetragen, bearbeitet und archiviert. Mittlerweile umfasst seine «Zofingen»-Sammlung rund 5000 Bilder.

«Und das muss ich Ihnen noch zeigen.» Auf dem Bildschirm öffnet sich eine alte Ansicht von Zofingen. Links das Stadthaus, rechts die Kirche, die Blickrichtung des Betrachters geht Richtung unterer Stadteingang. «Wussten Sie, dass es in den 1850er-Jahren ein Projekt für eine gerade verlaufende Durchgangsstrasse mitten durch die Stadt gab?», fragt Andreas «Res» Kaderli und gibt die Antwort gleich selbst. Das Projekt sah vor, dass die gesamte Häuserzeile vom Stadthaus über die heutige Buchhandlung «Leserei» bis hin zur Pizzeria «La Lupa» abgebrochen worden wäre. Dazu kam es, wie wir heute wissen, nie. «Man hatte Angst, dass die Statik des Kirchturms instabil hätte werden können», erläutert Kaderli.

«Ja, und dann muss ich Ihnen das noch zeigen.» Res, wie ihn seine Freunde nennen, Kaderli ist in seinem Element – seinen Zuhörer hat er längst gefangen. Kaum ein Haus in der Zofinger Altstadt, zu dem er nicht eine Anekdote kennt. Die Vermutung, dass sich da einer sein Leben lang mit der Thutstadt befasst und von ihr eine riesige digitale Fotosammlung angelegt hat, liegt eigentlich nahe. Aber weit gefehlt! «Ich habe dreissig Jahre lang in Bern gelebt», sagt Kaderli lächelnd. Dort war der gelernte Automechaniker im Aussendienst tätig, verkaufte und plante für kleine bis grosse Firmen Postverteilanlagen. 24 Jahre lang war er in dieser Funktion für die Westschweiz, das Wallis und den Jura zuständig, die letzten zwölf Jahre für die gesamte Schweiz. Da habe sich ein Wohnsitzwechsel geradezu aufgedrängt. Kaderli, geboren in Zofingen und aufgewachsen im Riedtal, zog zurück nach Zofingen. «Ich wohne heute auf der ehemaligen ‹Chalberweid› unseres Bauernhauses, auf der 2001 ein Mehrfamilienhaus erstellt wurde», sagt er. 

Vom Turmwart zum Stadtführer

Durch seine langjährige Reisetätigkeit als Aussendienstmitarbeiter habe er viele Gegenden kennengelernt und vor allem die Unterschiede gesehen. «Ich habe gemerkt, wie schön Zofingen ist», führt Res Kaderli aus. Nach seiner frühzeitigen Pensionierung 2011 übernahm er das Amt des Turmwarts im Pulverturm. «Ein Knochenjob», meint er dazu, aber nichts tun gehöre halt nicht zu seinen Stärken. Und natürlich habe er dort die Gäste auch mit der Geschichte des Pulverturms vertraut gemacht. Einer der Gäste, Alt-Stadtammann Hans-Ruedi Hottiger habe ihn anlässlich einer Klassenzusammenkunft gefragt, wieso er denn nicht auch Stadtführungen mache? «Da habe ich begonnen, alles über die Geschichte der Thut­stadt zu lesen», sagt der 76-jährige Kaderli. Und bereits drei Monate später legte er die Prüfung als Stadtführer ab.

Und die Fotosammlung? «Fotografiert habe ich seit meiner Jugend», meint Kaderli, «aber das Sujet Zofingen hat da sehr lange keine Rolle gespielt.» Das habe sich erst 2011 mit seiner Tätigkeit als Turmwart und Stadtführer geändert, führt er weiter aus. «Ich habe bald gemerkt, dass ein Bild mehr sagen kann als tausend Worte», sagt der Zofinger Stadtführer. «Wissen Sie, wieso die Steine am Pulverturm kleine runde Löcher aufweisen», fragt Kaderli. Und wieder gibt er die Antwort selber: Das komme von den Steinzangen. Nur: Wer weiss schon, was eine Steinzange ist und, vor allem, wie sie aussieht. Da habe er begonnen, ein Bild zu suchen – und dann ein Bild von einem Tretmühlen-Kran, mit dem man die Steine aufeinanderschichten konnte. So konnte Kaderli seinen Gästen den Bau des Pulverturms auch bildlich erklären. «Von da an ist die Suche nach Bildern für meine Stadtführungen fast zu einer Sucht geworden», gesteht Kaderli. 

Die Durchgangsstrasse durch die Stadt sollte nach dem Projekt aus den 1850er-Jahren schnurgerade durch die Stadt verlaufen.
Bild: Stadtarchiv Zofingen/Res Kaderli

Einen riesigen Schatz zusammengetragen

Die Bilder, welche Res Kaderli in den letzten rund zwölf Jahren zusammengetragen hat, kommen aus den unterschiedlichsten Quellen. «Das Zofinger Neujahrsblatt ist die beste Quelle zur Stadtgeschichte», hält Kaderli unmissverständlich fest, viele Bilder hat er auch da entnommen. Dann habe er auch im Zofinger Museum vieles fotografieren können. Und schliesslich hat sich auch bald einmal herumgesprochen, dass der Stadtführer Bilder sucht. «Es sind immer wieder Leute auf mich zugekommen mit historischen Fotografien, Postkarten und anderem Bildmaterial, das sie mir zum Scannen überlassen haben», sagt Kaderli dankbar. Eine eigene Sammlung hingegen hat er nie aufgebaut. «Was sollte ich damit machen?», fragt er. «Das Einzige, was ich zusammentrage und sammle, sind digitale Bilder.»

Rund 5000 Bilder sind so zusammengekommen. Ein einmaliger Schatz, auf den Res Kaderli zwar stolz ist, den er aber überhaupt nicht eifersüchtig hütet. 2017 hat er seine Sammlung von damals etwa 4000 Bildern der Stadt Zofingen und dem Zofinger Tagblatt zur freien Publikation zur Verfügung gestellt. «Das Sammeln von Bildern ist mein Hobby – ich will ja damit kein Geld verdienen», sagt er. ZT-Redaktor Raphael Nadler habe damals eine Serie von Bildern aus der Sammlung gezeigt, seitens Stadt sei das Interesse an seiner Sammlung leider eher gering, bedauert Res Kaderli. Immerhin: Der Artillerie-Verein Zofingen zeigt auf seiner Website pulverturm-zofingen.ch viele Beiträge und Fotos des Zofinger Stadtführers.

Das wohl unbeliebteste Haus in der Altstadt

Ja, und dann gibt es zum Abschluss der virtuellen Stadtführung noch etwas Stadtgeschichte. Kaderli fragt schmunzelnd: «Sie wissen doch, welches das wohl unbeliebteste Haus in der Altstadt ist?» Der Rundgang führt in die Hintere Hauptgasse. Kaderli zeigt ein Bild aus dem Jahr 1905, das eine Scheune zeigt. Das ist die «Bauamtsschüür», erläutert er, die 1930 abgebrochen wurde, weil sie einem Gewerbeschulhaus Platz machen musste. Dieses wurde von 1936 bis 1938 gebaut, und natürlich zeigt Kaderli gleich auch Bilder der Schule von 1938 und 1939. 1939 bis 1941 war der Stab des zweiten Armeekorps im Haus untergebracht. «General Guisan war oft in Zofingen – darum heisst die Strasse hinter dem Gebäude ja auch General-Guisan-Strasse», sagt er. Und weil es beim Bau des Bärenhofs wegen Einsprachen jahrelange Verzögerungen gab, musste die Stadt im Dachboden des nicht mehr benutzten Gewerbeschulhauses 1989 Gefängniszellen einbauen und das Haus diente bis zum Neubau am Bahnhof als Bezirksgefängnis. 2001 schliesslich ist das Haus erneut umgebaut worden, heute ist es ein Verwaltungsgebäude der Stadt. «Ja», lacht Kaderli, «heute ist die Steuerverwaltung darin untergebracht – nun wissen Sie auch, wieso ich vom wohl unbeliebtesten Haus in der Altstadt gesprochen habe.»