Mythos «Midlife-Crisis»: Menschen werden mit zunehmendem Alter eher glücklicher
Allein der Begriff «Midlife-Crisis» impliziert, dass in den Wechseljahren neben dem Hormonwert auch die Stimmung ins Rutschen kommt. Doch laut einer deutsch-schweizerischen Studie geht die Lebenszufriedenheit bis zum 70. Lebensjahr sogar leicht bergauf – mit einer leichten Delle weit vor den Wechseljahren.
Das Forscherteam um Susanne Bücker von der Universität Witten/Herdecke hat 443 Studien ausgewertet, in denen insgesamt über 460’000 Probandinnen aus unterschiedlichsten Regionen wie Europa, Asien und den USA mehrmals – beispielsweise im Abstand von einem Jahr – zu ihrer Lebenszufriedenheit befragt wurden.
Die einzelnen Fragen konnten allgemein gehalten sein, nach dem Muster «Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben?», oder sich auch auf konkrete Befindlichkeiten und Emotionen beziehen, wie etwa «Waren Sie in letzter Zeit öfter traurig?» oder «Haben Sie nach wie vor grosses Interesse an den Dingen in Ihrem Leben?».
Es gibt keine Sollbruchstelle während der Wechseljahre
Die Forscher fanden keine signifikanten Hinweise auf die berüchtigte emotionale Sollbruchstelle während der Wechseljahre. «Und wir sind nicht die Einzigen, die keine Hinweise darauf gefunden haben», betont Bücker. Die Studienlage zeigt vielmehr, dass es mit der Lebenszufriedenheit vom jungen Erwachsenenalter bis zum 70. Lebensjahr langsam und leicht bergauf geht. Lediglich der Verlauf der Beziehungszufriedenheit präsentiert um die Wechseljahre herum eine leichte Delle, doch dabei kann es ja auch eine Rolle spielen, dass sich der Partner verändert hat.
Bleibt die Frage, wie sich die stetig wachsende Lebenszufriedenheit erklären lässt, denn gesundheitlich geht es bei vielen Menschen ja im Laufe des Lebens eher bergab. «Doch das kann offenbar durch andere, positive Veränderungen kompensiert werden», erläutert Bücker, «wie etwa durch Bildungsabschlüsse, festere sozialere Bindungen oder eine Konsolidierung der finanziellen Situation».
Ausserdem entwickeln Menschen, so die Psychologin weiter, im Laufe ihres Lebens immer bessere Strategien, um mit Stress und negativen Emotionen umzugehen. Vieles von dem, was in der Jugend noch aufgewühlt hat, sorgt später kaum noch für ein Achselzucken.
Jugendliche sind relativ unzufrieden
Ab dem 70. Lebensjahr reicht das alles jedoch nicht mehr aus, um die zunehmenden Verluste, etwa bei der Gesundheit oder im sozialen Umfeld, aufzufangen. «Und dann» konstatiert Bücker, «nimmt auch die Lebenszufriedenheit ab.» Neben den Senioren gibt es aber noch eine andere Altersgruppe, die relativ unzufrieden mit ihrem Leben ist: die 9- bis 16-jährigen.
An der Pubertät allein kann das nicht liegen, denn die geht in der Regel, auch wenn sich ihr Eintritt in letzter Zeit nach vorne verschoben hat, nicht schon im einstelligen Alter los. Bücker vermutet, dass in dieser Phase zunehmend Erwartungen an die Jugendlichen gestellt werden. Das kann der zunehmende Leistungsdruck in der Schule sein, etwa dadurch, dass von der Grundschule auf die weiterführende Schule gewechselt wurde.
«In dieser Zeit nimmt aber auch die Identitätsfindung der Jugendlichen immer mehr Fahrt auf», erklärt die Psychologin. Und das gelte nicht zuletzt für den körperlichen Bereich: «Viele Mädchen beklagen schon mit 9 Jahren, also schon vor der Pubertät, dass sie mit ihrem Körper unzufrieden sind – und das nagt natürlich am Selbstwertgefühl.»
Wissenschafter der Universität Amsterdam haben kürzlich herausgefunden, dass für das kindliche Selbstwertgefühl das eigene Aussehen sogar wichtiger ist als Ehrlichkeit oder moralisches Handeln, soziale Beziehungen, sportliche Kompetenzen und die Beziehung zu den Eltern. Das gilt gleichermassen für Jungen und Mädchen, und unabhängig von der Nationalität, was die Studienautoren am meisten überraschte. Ihre Erklärung: Aussehen sieht man vor allen anderen Merkmalen eines Menschen. Und Medien und Gesellschaft vermitteln rund um den Globus und die Uhr, dass dies auch besonders wichtig ist.