Wie soll die 13. AHV-Rente finanziert werden? Ökonom Marius Brülhart erklärt, was aus ökonomischer Sicht das Beste wäre
Die Initiative für eine 13. AHV lässt offen, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen. Sollte sie angenommen werden, müsste das Parlament darüber entscheiden. Marius Brülhart, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Lausanne, erklärt Vor- und Nachteile verschiedener Varianten.
Die Initianten plädieren für eine Erhöhung der Lohnbeiträge, um die 13. AHV-Rente zu finanzieren. Welche Finanzierung wäre aus ökonomischer Sicht gut?
Marius Brülhart: Grundsätzlich gibt es zwei zentrale ökonomische Kriterien: die Verteilungsgerechtigkeit und die Effizienz, das heisst die Wirkung auf die Wirtschaftstätigkeit insgesamt. AHV-Lohnbeiträge haben aus der Sicht der Befürworter den Vorteil, dass sie umverteilen: Wer viel verdient, zahlt mehr ein, bekommt aber nicht mehr Rente. Der Nachteil ist, dass sie sich ungünstig auf Wachstum und Beschäftigung auswirken. Wenn die Arbeitskosten steigen, haben Unternehmen weniger Anreize, Personal einzustellen. Das könnte sich gerade im Tieflohnbereich auswirken, wenn sich beispielsweise die Frage stellt, ob man mehr Personal anstellt oder gewisse Arbeitsabläufe automatisiert.
Wäre eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer besser?
Studien zeigen, dass die Mehrwertsteuer für das Wachstum weniger problematisch ist als Lohnbeiträge. Ihr Nachteil ist, dass sie Ärmere anteilsmässig stärker belastet als Reiche. Würde die 13. AHV-Rente durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gegenfinanziert, bliebe vom Umverteilungseffekt, den die Initianten erreichen wollen, nicht mehr viel übrig.
Was halten Sie von einer Finanzmarkttransaktionssteuer?
Die Idee ist, dass man auf die Transaktionen an den Finanzmärkten – es geht hier um gigantische Summen – eine in Prozentpunkten winzige Steuer erheben könnte.
Das klingt verlockend.
Ja, aber: Das Volumen der Transaktionen ist zwar hoch, doch die Gewinnmarge ist nur ein Bruchteil davon. Händler, Banken und andere Finanzinstitute würden daher auf eine solche Steuer reagieren, ein geraumer Teil des Geschäfts dürfte abwandern. Daher müsste eine solche Steuer, wenn schon, international koordiniert werden, nicht nur in Europa, sondern auch mit Finanzplätzen wie Dubai oder Singapur. Das scheint mir doch etwas utopisch.
Wäre eine Erhöhung des Rentenalters ökonomisch gesehen besser?
Für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaftstätigkeit wäre das positiv. Aus der Verteilungsperspektive wäre es je nach Ausgestaltung aber problematisch, falls sich vor allem Gutverdienende eine Frühpensionierung leisten können.
Auch eine Erbschaftssteuer zur Finanzierung der AHV wurde ins Spiel gebracht. Was halten Sie davon?
Aus rein ökonomischer Sicht wäre das die überzeugendste Lösung. Die Erbschaftssteuer schneidet sowohl bezüglich wirtschaftlicher Effizienz als auch hinsichtlich der Verteilungsgerechtigkeit gut ab. Wenn der Freibetrag nicht zu tief gewählt ist, trifft sie nur die wirklich Gutgestellten. Gleichzeitig schmälert sie die Leistungsanreize nicht – im Gegenteil: Wir sehen in den Daten, dass Erbschaften eher dazu führen, dass Pensen reduziert oder Frühpensionierungen gemacht werden. Allerdings ist das Thema emotional aufgeladen: Viele haben offenbar den Eindruck, dass es sich beim Erben um eine Privatsache handelt, in der der Staat nichts zu suchen hat. Auch überschätzen die Leute regelmässig die eigene Betroffenheit durch Erbschaftssteuern – selbst wenn sie keine realistische Aussicht auf eine grosse Erbschaft haben. 2015 ist eine Initiative, die eine eidgenössische Erbschaftssteuer für die Finanzierung der AHV vorschlug, klar gescheitert.