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Zweite Gotthardröhre: Jetzt geht es richtig zur Sache

Halbzeit beim Bau der zweiten Gotthard-Strassenröhre: In Airolo und Göschenen nehmen am Freitag die grossen Tunnelbohrmaschinen den Vortrieb auf.

Bereits neun Jahre ist es her, seit das Schweizer Stimmvolk nach einer hitzigen Abstimmungskampagne Ja zum Bau der zweiten Röhre des Gotthard-Strassentunnels sagte. Am 28. Februar 2016 stimmten 57 Prozent der Stimmbevölkerung diesem Vorhaben zu. Der allgemeine Baubeginn unter der Federführung des Bundesamtes für Verkehr (Astra) erfolgte dann 2020, und der neue Tunnel ist – im Gegensatz zu den Staus vor dem bestehenden Tunnel – seither weitgehend aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden.

Doch diesen Freitag wird sich die Aufmerksamkeit auf das Tunnelprojekt richten. In Airolo und Göschenen nehmen die gewaltigen Tunnelbohrmaschinen (TBM) ihre Vortriebsarbeit auf. Eine neue Etappe beginnt. Verkehrsminister Albert Rösti wird zuerst in Airolo und dann in Göschenen zugegen sein, um in Anwesenheit kantonaler und kommunaler Behördenvertreter aus Uri und dem Tessin den Startschuss für die Andrehfeiern zu geben.

Ein bedeutender Moment

Für die Bauherrin, die beteiligten Unternehmen und Mineure ist es ein bedeutender Moment. Denn sie haben die Vorarbeiten geleistet, um die Tunnelbohrmaschinen installieren zu können. In Göschenen befindet sich die TBM bereits gänzlich im Berg, denn wegen geologischer Störzonen musste dort ein Zugangsstollen eingerichtet und das erste Stück des Haupttunnels im Gegenvortrieb gesprengt werden.

In Airolo klafft hinter dem bestehenden Süd-Portal der A2 eine gewaltige Lücke, wo nun die Tunnelbohrmaschine «Paulina» installiert ist und sich künftig in Richtung Norden vorarbeiten wird. Auch hier hat man vorab einen Zugangsstollen gebohrt.

Die zweite Röhre wird parallel zum bestehenden 16,9 Kilometer langen Gotthard-Strassentunnel in Richtung Osten in einem Abstand von 70 Metern erstellt, dazwischen liegt der bereits bestehende Service- und Infrastrukturstollen (Sisto), der auch als Fluchtweg eine grosse Bedeutung hat. Beim verheerenden Brand im Gotthard-Strassentunnel vom 24. Oktober 2001, bei dem elf Menschen starben, konnten sich viele Automobilisten über diesen Tunnel retten.

Inbetriebnahme ist für 2030 geplant

Dank des Baus der ersten Röhre sind die geologischen Verhältnisse im Gebiet gut bekannt, wie Valentina Kampusch als einstige Projektleiterin bereits erklärt hat. Somit dürfte es 2027 zum Hauptdurchschlag kommen, wenn Vortrieb von Süden und Norden zusammenstossen. Danach sind weitere drei Jahre nötig, um die 2. Röhre im Innenausbau fertigzustellen.

Eine Inbetriebnahme ist nach zehnjährigen Arbeiten für 2030 geplant. Doch das Gesamtprojekt ist damit nicht beendet. Denn der bestehende Gotthard-Strassentunnel wird dann geschlossen und vollständig saniert. Erst nach Abschluss dieser Arbeiten, voraussichtlich 2033, können beide Röhren befahren werden, notabene einspurig und jeweils mit Pannenstreifen, weil kein Kapazitätsausbau am Gotthard erfolgen darf.

Die Arbeiten an der Gotthard-Röhre sind im Aussenbereich gut wahrnehmbar und können sowohl von der Autobahn A2 als auch vom Zug von der alten Gotthard-Bergstrecke gesehen werden. In Göschenen liegt der grosse Installationsplatz linker Hand in Fahrtrichtung Süden.

Im Dorf sind Häuser für die Belegschaft erstellt worden; eine Kantine kann auch von auswärtigen Gästen benutzt werden. «Es hat ein wenig Leben ins Dorf gebracht», sagt der in Göschenen lebende Historiker Kilian T. Elsasser. Glücklicherweise habe es mittlerweile weniger Staubentwicklung als in den Anfangszeiten der Bauarbeiten.

«Es gibt auch jetzt Unannehmlichkeiten»

Alt Nationalrat Fabio Pedrina, ehemaliger Präsident der Alpeninitiative, wohnt in Airolo. Er hat als junger Mann schon den Bau des ersten und 1980 eröffneten Strassentunnels erlebt. «Es gibt auch jetzt gewisse Unannehmlichkeiten und Staub in der Luft, aber kein Vergleich zu damals», sagt er. Es seien doch grosse Fortschritte beim Management solcher Baustellen gemacht worden. Er weist zudem darauf hin, dass die momentanen Nachteile durch einen langfristigen Vorteil mehr als kompensiert werden.

Ein guter Teil des Aushubmaterials soll dafür verwendet werden, einen Teil der Autobahn A2 bei Airolo zu überdecken und das Gelände neu zu modellieren. Ein Millionenprojekt. Für die verkehrsgeplagte Gemeinde Airolo war diese Renaturierung eine Bedingung, um nicht gegen den Bau der zweiten Röhre zu opponieren.

Just das Aushubmaterial sorgte indes für eine der wenigen Aufregungen in Zusammenhang mit dem Bau der zweiten Gotthard-Röhre. Es war bekannt geworden, dass bei der Schüttung von Ausbruchmaterial im Jahr 2023 in den Urnersee auch 3000 Tonnen Gestein mit einer erhöhten Arsenkonzentration ins Wasser gelangten. Das Astra erklärte, dass nie eine Gefährdung bestanden habe. Doch im See wird das arsenhaltige Material künftig nicht mehr deponiert. Es wird in Airolo gelagert und mit einer Deckschicht versehen, sodass ein Kontakt mit Luft und Boden verhindert werden kann.