Nicht zum Einschlafen und nicht zum Sex: Musik gehört nicht ins Bett
Es gibt «die antreibendste Musik zum Joggen», «den idealen Soundtrack für das Pflanzenwachstum», «erlesene Tracks für lange Stunden im Stau». Es gebe wohl sogar, würde man lange genug danach suchen, irgendeine Playlist mit «motivierenden Tunes für das Ausfüllen der Steuererklärung».
Und es gibt sie auch: «Die besten Songs zum Einschlafen». Eine Firma, die sich «Emma – The Sleep Company» nennt, hat nun mehrere Spotify-Playlisten zusammengestellt, die «die nachweislich besten Songs zum Einschlafen» enthalten. Bevor wir jetzt gedanklich alle «Schlaf, Chindli schlaf» und «La-Le-Lu» trällern: Es sind allesamt Songs aus dem Oeuvre von durchaus bekannten Pop-, Rap-, Rock- und Schlagerkünstlerinnen und -künstlern.
Ein idealer Song, um wegzudösen beinhalte folgende Faktoren: Er sei wenig energisch, kaum tanzbar, enthalte möglichste viele akustische Anteile und nur wenig oder leisen Gesang. Es sind allesamt bahnbrechende Erkenntnisse. Bisher hatten wir ja stets vermutet, dass unsere Schlafprobleme alleine darauf gründen, dass wir beim Zubettgehen keinen Trash-Metal mit ordentlich Gebrüll hören.
Aber zurück zu den erkorenen Einschlafsongs. Diese haben alle einen «Sleep Score» erhalten. Also Punkte auf einer Skala von 1 bis 10. Wobei 1 für musikalisches Koffein steht und 10 für eine hoch dosierte Schlaftablette.
Höchster Sleep Score: Lana del Rey
Auch darum ist es äusserst fraglich, ob es tatsächlich eine Auszeichnung ist, dass Lana Del Rey gesamthaft den höchsten «Sleep Score» erzielt. Im Normalfall möchten Künstlerinnen und Künstler wohl eher Musik machen, bei der nicht gleich weggeschlummert wird. Lana Del Rey erreicht auf jeden Fall einen Wert von 8,2.
Ebenfalls auf den Spitzen-Schnarch-Plätzen sind Billie Eilish, Lewis Capaldi und Adele gelandet. Solider Mainstream-Pop, der meist ohne Ecken und Kanten auskommt. Es ist erstaunlich, dass die Hörerinnen und Hörer durchschnittlicher Radiostationen nicht öfter in einen Sekundenschlaf fallen.
Ob die Musik insgesamt spannend ist oder nicht, scheint bei der Liste absolut keinen Einfluss zu haben. Apache 207 und Helene Fischer, deren Gesamtwerk zweifelsfrei zum Allerlangweiligsten zählt, was die deutsche Popkultur in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht hat, erreichen nur einen Wert von rund 7 Punkten. Wohl auch darum, weil man sofort den Raum verlassen will, wenn diese Songs gespielt werden. Wer auf der Flucht ist, kann nicht schlafen. «Atemlos» halt.
Songtexte sind egal
Ebenfalls nicht eingeflossen sind die Texte zu den Songs. Auf den angepriesenen Playlists wimmelt es von Wehklagen über verflossene Liebe, allerlei Weltschmerz und sonstiger Tränentreiberei. Glücklich schläft da keiner und keine ein. Und sogar das «Schlaflied» von Die Ärzte hat es auf die Liste geschafft. «Dein kleines Bettchen vom Blut ganz rot/ Die Sonne geht auf und du bist tot», heisst es in diesem satirischen Wiegenliedchen. Die Albträume danach sind garantiert.
Aber vielleicht ist es am Ende ganz generell so, dass Musik sowieso nicht unbedingt ins und ans Bett gehört. Neben den Einschlaflisten gibt es dann auch noch zahlreiche Beischlaflisten. Diese wollen dann entweder mit smoothem R’n’B in eine Kuschelstimmung schunkeln oder per kecken Drum den Rhythmus vorgeben. Schrecklich. Etwas böse gesagt: Wer selbst den Takt nicht findet, der sollte vielleicht sowieso besser schlafen.
Am besten ganz ohne Musik. Ganz unabhängig vom jeweiligen «Sleep Score». Wenn Lieder derart egal werden, dass man dazu einschlafen möchte, dann sind sie vor allem eines: schlecht. Und für schlechte Songs ist das Leben zu kurz. Sogar im Schlaf.