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Der Super-GAU: Der FC Aarau erlebt sein nächstes Aufstiegs-Drama

Wie schon 2019 ist die Stadt im Aufstiegsfieber. Wie 2019 deutet alles darauf hin, dass der FC Aarau in die Super League zurückkehrt. Was bleibt ist eine Schockstarre.

Was soll man da noch sagen? Die Türe zur Super League ist mehr als einen Spalt offen. Ein Remis gegen Vaduz, und die Rückkehr in die Eliteklasse nach sieben Jahren in der Zweitklassigkeit ist perfekt. Die Stadt beschliesst im Fall eines Aufstiegs eine Freinacht. Das Brügglifeld ist mit 8000 Zuschauern ausverkauft. Und nebenbei: Der Klub feiert ja auch noch sein 120-jähriges Bestehen. Kurz: Der Rahmen passt bestens, für eine rauschende Aufstiegs-Party.

Aber um kurz nach 22 Uhr herrscht absolute Katerstimmung. Über das Brügglifeld legt sich eine bedrückende Stille. Spieler vergraben ihr Gesicht im Trikot. Zuschauer weinen. Das darf doch nicht wahr sein.

1:2 verliert Aarau gegen Vaduz. Und weil Winterthur in Kriens 5:0 siegt, steigen die Zürcher auf. Den Aarauern bleibt nicht mal das Trostpflaster Barrage. Schaffhausen liegt zwar bei Lausanne-Ouchy bis zur 51. Minute 0:1 zurück. Dreht die Partie dank Toren von Bobadilla und Gonzalez und bestreitet nun die Barrage gegen Luzern oder Sion.

Wie bitter: Alles nur eine Frage der Tordifferenz

Ein Blick auf die Tabelle zeigt, in welchem Drama diese Saison für den FC Aarau endet. Winterthur, Schaffhausen und Aarau kommen alle auf 65 Punkte. Dem FCA fehlen 11 Tore auf Winterthur und lediglich vier auf Schaffhausen.

Natürlich könnte man nun diesen einen Punkt suchen, der nun fehlt. Und man würde ihn vielerorts finden. Beispielsweise beim 2:4 in Winterthur. Ein Spiel, das erst nach dem Platzverweis gegen Aleksandar Cvetkovic verloren ging. Ein Spiel notabene auch, das man nach dem Becherwurf gegen den Schiedsrichter-Assistenten nachträglich auch als Forfait-Niederlage gegen Winterthur hätte werten können.

Man findet den verlorenen Punkt aber vornehmlich Samstagnacht. Diesem derart bitteren 1:2 gegen Vaduz. Ein Resultat, das dem Spielverlauf spottet. Ein Resultat auch, das sich tief in die Seele der Aarauer Fussballfans brennen wird. Weil es wie ein böser Geist aus dem Nichts aufgetaucht ist. Ohne Ankündigung. Denn die Mannschaft hat nach einer schwierigen Phase im März und April mit fünf Niederlagen in sechs Spielen eindrücklich in die Spur zurückgefunden. Zuletzt mit fünf Siegen in Folge die Poleposition zurückerobert. Und uns alle im Glauben gelassen, dass da nichts mehr schiefgehen kann.

Es fehlt die Leichtigkeit

Ganz ausblenden kann das Team von Stephan Keller den Druck nicht. Man spürt, dass es etwas zu verlieren hat. Die Leichtigkeit ist nicht dieselbe wie vor zwei Wochen. Wer will es ihnen verdenken? Trotzdem hat der FC Aarau die Partie im Griff und kommt in der 10. Minute durch Allen Njie zur ersten, hochkarätigen Chance. Doch nur eine Minute später sorgt Cicek mit dem 0:1 für die ersten, leisen Zweifel.

Nicht schon wieder. Nicht wie 2019. Damals siegte der FC Aarau in der Barrage auswärts gegen Xamax mit 4:0. Was kann da noch schief gehen? Diese Frage stellte man sich damals überhaupt nicht. Die Geschichte nimmt ein böses Ende. 0:4 zu Hause und das Aus im Penaltyschiessen.

Aber die Ereignisse von damals lassen sich nicht mit heute vergleichen. Barrage, das ist eine ganz andere Geschichte. Und im Nachhinein nun das Trauma von damals als Erklärung für den erneut verpassten Aufstieg zu bemühen, wäre der komplett falsche Ansatz. Der FC Aarau ist nicht unaufsteigbar, weil er damals gegen Xamax versagte. Aber ein Drama ist das jüngste Scheitern gleichwohl.

Anders als 2019 hat der FC Aarau eine nachhaltige Strategie

Aber auch die Situation nach dem Kater wird eine andere sein als damals. Nach dem Barrage-Versagen lag vieles im Argen. Alles war auf diesen Aufstieg ausgerichtet. Was bedeutet, dass die Mannschaft umgebaut werden musste und man Monate später auch Trainer Patrick Rahmen entliess. Eine Strategie, die auf Nachhaltigkeit beruht, konnte erst danach von Sportchef Sandro Burki und dem neugewählten Präsident Philipp Bonorand implementiert werden.

Heute ist das anders. Der FC Aarau steht sportlich wie finanziell auf einem gesunden Fundament. Gut möglich, dass drei, vielleicht vier Spieler den Klub verlassen werden, weil sie sich in den Vordergrund gespielt haben. Darauf ist man beim FCA vorbereitet. Schliesslich ist die Ausbildung aufstrebender Spieler Teil des Konzepts.

Spadanuda, Rrudhani, Schneider: Wer geht?

Einige haben ja schon in dieser Saison mehr als nur angedeutet, dass sie reif sind für die Super League. Allen voran Kevin Spadanuda, der 18 Tore erzielt hat. Oder Donat Rrudhani, dieser polyvalente Alleskönner. Oder Randy Schneider, der Edeltechniker, der eben sein erstes Aufgebot für die U21-Nati erhalten hat. Kurz: Der FC Aarau ist wieder interessant geworden für die grossen Klubs, weil er auf Spieler setzt, die mit Hunger ins Brügglifeld kommen und von Stephan Keller besser gemacht werden.

Es ist die aufregendste Mannschaft der letzten Jahre, die wir in dieser Saison beim FCA gesehen haben. Wahrscheinlich auch die Mannschaft, die vom Pontential her am ehesten in die Super League gehört. Eine Mannschaft, die mit ihrer mutigen, offensiv ausgerichteten Spielweise begeistert. Eine Mannschaft aber auch, die zu leiden im Stande ist.

Das muss sie auch gegen Vaduz, weil etliche Spieler Mühe haben, ihr gewohntes Rendement zu erreichen. Rrudhani gehört nicht dazu. Aber auch er hat kein Glück im Abschluss. In der 52. Minute verzieht er.

Und Randy Schneider, der Überflieger der letzten Monate? Er wird meist gedoppelt, womit er verständlicherweise Mühe hat. Trotzdem hat er seinen grossen Moment, trifft aber nur die Latte (55.). Fatalerweise steht Schneider sogar am Ursprung jenes Moments, der das Brügglifeld ein erstes Mal an diesem Abend in Schockstarre versetzt. Sein Fehlpass nutzt Dobras, um Cicek auf die Reise zu schicken. Allein vor Enzler trifft der Vaduzer Stürmer ein zweites Mal.

Shkelzen Gashi: Und die Hoffnung kehrt zurück

Doch lange bleibt es nicht ruhig im Brügglifeld. Spätestens, als Shkelzen Gashi (83.) per Penalty zum 1:2 trifft, steht auch die gesamte Sitzplatztribüne. Die Hoffnung ist zurück. Aber nicht das Abschlussglück. Mickaël Almeida (88.) vergibt seine zweite grosse Chance. Und Spadanuda (93.) scheitert mit einem Seitfallzieher. Es ist der letzte Akt in diesem Drama.

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