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Das Heimatmuseum macht einen grossen Schritt in Richtung Moderne

Zeitgemässe Zugänge zu einem Museum zu schaffen ist keine einfache Aufgabe. Das Heimatmuseum Rothrist geht das Problem an.

Etwas kann man dem Rothrister Heimatmuseum gewiss nicht absprechen: Die Ausstellung im Miescherheimet, dem Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, ist sorgfältig und schön gestaltet. Und das Haus erfährt gerade mit dem Themenbereich «Auswanderungsgeschichte unseres Dorfes» viel Anerkennung, gilt es doch als eines der am besten dokumentierten Museen der Schweiz, was die Auswanderung im 19. Jahrhundert anbelangt. «Und doch», sagt Gabriela Rüegger, die das Heimatmuseum seit dem 1. Januar 2022 zusammen mit einem vierköpfigen Kernteam leitet, «mussten auch wir uns Gedanken darüber machen, wie wir das Museum gegen aussen attraktiver präsentieren und gleichzeitig jüngere Besucherinnen und Besucher ansprechen können.»

Verband erkennt Problem und handelt

Eine Problematik, die auch der Verband Aargauer Museen und Sammlungen (VAMUS), der rund 110 Mitglieder zählt, erkannt hatte. «Unsere reiche Aargauer Museumslandschaft kann nicht über die Schwierigkeiten vor allem mittlerer und kleinerer Institutionen bezüglich der Aktualisierung und Attraktivität ihrer Ausstellungsformate hinwegtäuschen. Viele unserer Mitglieder waren schon vor Corona strukturell herausgefordert: Webpräsenz, Nachfolgeregelungen und Besucherschwund beschäftigen die Basis sehr, Ressourcen für Veränderungen fehlen», stellte er in seinem Newsletter vom März 2022 ungeschminkt fest. Der Verband schnürte in der Folge mit «VAMUS × Musivus» ein Produktepaket, welches Abhilfe schaffen sollte. Finanziert wurde es im Rahmen der Covid-­19-Kulturverordnung durch Bund und Kanton. Für die Pilotphase wurden fünf bis sechs Häuser «mit Lust auf einen unkomplizierten, kreativen Prozess» gesucht. Das Heimatmuseum Rothrist wurde als eines von vier Häusern für die Teilnahme am Pilotprojekt ausgewählt.

Die Teilnahme am Pilotprojekt beinhaltete zwei Leistungen. Einerseits die Aufschaltung des Heimatmuseums auf die etablierte Museumsplattform Musivus, die von einem Badener Software-Unternehmen entwickelt wurde. Andererseits begleitete und beriet Manuel Cecilia, der VAMUS-­Präsident, das Museumsteam in der Auswahl der Exponate und Geschichten, die dazu erzählt werden sollten.

«Eine riesige Arbeit, welche wir gemeinsam während eines Jahres geleistet haben», blickt Gabriela Rüegger zurück. «Uns war dabei wichtig, dass die Remise, in der landwirtschaftliche Gerätschaften aufbewahrt werden, wieder vermehrt in den Museumsbetrieb eingebunden wird», betont Thomas Oschwald, Mitglied des Kernteams.

App bietet vier Themen­bereiche zur Auswahl

Das ist gut gelungen. Wer nach dem Eintritt ins Museum die Musivus-App auf sein Handy lädt, kann im Miescherheimet in Zukunft zwischen vier Themenbereichen auswählen – ein Themenbereich ist immer für die Sonderausstellung reserviert. «Feld und Wiese» heisst einer der Bereiche und er führt in die Remise. Mit Hilfe der App kann man dort zuhören, wie Thomas Oschwald den ehemaligen Rothrister Gemeindeammann Felix Schönle in einem Dialog durch die Ausstellung mit den landwirtschaftlichen Gerätschaften führt.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Ausstellung im Miescherheimet selber zu besichtigen. Dann bietet sich beispielsweise der Themenkreis «Haus und Hof» im Parterre und im ersten Stock an, bei dem das Alltagsleben im 19. und 20. Jahrhundert dargestellt wird. An einzelnen Stationen beschreibt etwa Erich Hofer, der ehemalige Gemeindeschreiber, die Geschichte des Miescherheimets, Patrik Siegrist vom Kernteam spricht über das Wohnen im Miescherheimet im Wandel der Zeit, Bibliotheksleiterin Barbara Zinniker über Ruhe und Besinnung oder Marianne Meier über Waschen, Nähen und Bügeln. Oder man begibt sich ins Dachgeschoss des Museums, das weitgehend dem Themenkreis «Raum und Zeit» gewidmet ist. Hier werden vor allem die wirtschaftlichen Veränderungen im Dorf thematisiert, so in den Beiträgen von Gewerbevereinspräsident Kurt Moor oder von Alexander Barth, Rivella-Verwaltungsratspräsident. Oder von alt Nationalrat Ulrich Giezendanner, der über die Entwicklung von der Fuhrhalterei zum Logistikbetrieb spricht. Natürlich ist auch die Rothrister Massenauswanderung von 1855 ein Thema, das von Museumsleiterin Gabriela Rüegger dargestellt wird. Spannend und mit Witz präsentiert Gemeindeammann Ralph Ehrismann seine Vision von Rothrist im Jahr 2050. Und, und, und … Es gibt viel zu entdecken und zu hören im Heimatmuseum Rothrist. «Man sollte einfach nicht den Fehler machen, das ganze Programm absolvieren zu wollen», warnt Museumsleiterin Gabriela Rüeg­ger, es sei wohl angesichts der vielen Geschichten und Exponate besser, das Ganze in Etappen zu konsumieren. Gerade mit der App ist das ja auch problemlos möglich. Man kann jederzeit und überall einsteigen, den QR-Code scannen und schon geht es los. Einzige Bedingung: Will man die Inhalte abhören, muss man sich im Heimatmuseum aufhalten.

Gesund und schön – gestern und heute

Erstmals so richtig los geht es am Internationalen Museumstag vom 21. Mai, an dem das Thema «Happy museums: Nachhaltigkeit und Wohlbefinden» lautet und an dem sich das Rothrister Heimatmuseum ebenfalls beteiligt. Heidi Kuhn, die mit ihrem Mann viele Jahre die Drogerie an der Bernstrasse geführt hat, wird an diesem Tag zeigen, wie man sich mit Hausmitteln wie lindernden Wickeln oder Umschlägen pflegen kann. Eine Auswahl an gesammelten Kräutern aus Feld, Wald und Wiese – Schlüsselblumen, Gänseblümchen, Brennnesseln, Salbei und vielen anderen mehr – wird bereitstehen und die Wirkung dieser Kräuter wird vor Ort auch gleich erläutert. Aus dem Fundus des Museums ergänzt wird die Ausstellung mit dem Motto «Gesund und schön – gestern und heute» mit zahlreichen Körperpflege-Accessoires von anno dazumal.

Eine weitere kleine Ausstellung wird am Museumstag eröffnet: Das Heimatmuseum zeigt die Sammlung der von Kurt Schmitter, dem Grossvater des ehemaligen Rothrister Gemeinderats Adrian Schmitter, erbauten Hausmodelle. Schmitter hat unter anderem die ehemalige Villa von Johann Jakob Jäggi, dem ehemaligen Direktor der Spinnerei am Rotkanal, nachgebaut oder das Zehntenhaus am Rösslikreisel, welches einst das Museum beherbergte.

Und natürlich muss das Thema «Happy museums» auch durch den Magen gehen. Die Cafeteria im Miescherheimet ist geöffnet und es werden «home­made cakes» angeboten. Geöffnet ist das Miescherheimet am Museumstag von 14 bis 17 Uhr.

Heimatmuseum Rothrist mit Bibliothek.
Thomas Fürst

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