Sie sind hier: Home > Schweiz und Welt > Einweg-E-Zigaretten: Praktisch und cool, aber unglaublich schlecht für die Umwelt

Einweg-E-Zigaretten: Praktisch und cool, aber unglaublich schlecht für die Umwelt

Jugendliche lieben sie – aber sind schlecht informiert. Die farbigen Dampfer gelangen in die Hände der Minderjährigen und landen schliesslich zu Tausenden samt Batterie im Müll.

Sie sind bunt, riechen nach Erdbeere oder Wassermelone und sind überall zu sehen – vor allem bei Jugendlichen: Einweg-E-Zigaretten sind im laufenden Jahr zum grossen Trend in der Schweiz geworden. Mal werden sie als Ausstiegshilfe für Kettenraucher betitelt, mal als Gesundheitssünde der Jugendlichen.

Mario Puppo, Präsident der Swiss Vape Trade Association, sagt: «Wir kannten ihre Probleme.»
Bild: zvg

Angefangen hat der Run auf die Geräte mit der sogenannten «Puff Bar», die im Jahr 2020 erstmals auf dem Schweizer Markt erschien. Darauf folgten unzählige Nachahmerprodukte. Mit der Jahreswende 2022 nahm die Nachfrage stark zu. Bis Juni 2022 gar um 30 Prozent pro Monat, wie Mario Puppo, Präsident der Swiss Vape Trade Association, sagt.

Die Jugend ist das Ziel

Schon bald waren die Einweg-E-Zigaretten überall zu finden. Egal, ob im Kiosk, beim Friseur oder in Onlineshops. «Es sind viele Personen in den Verkauf eingestiegen, die einen schnellen Franken machen wollten», sagt Mario Puppo. Auch in die Hände der Influencer gelangten die Geräte. Diese pusteten schliesslich auf Tiktok und Co. Dampf in die Kamera und posierten mit den farbigen Geräten. So erreichten die Hersteller ihre Zielgruppe: die Jugend.

Der Leiter Lungenheilkunde am Kinderspital Zürich, Alexander Möller sieht den Trend ebenfalls.
Bild: zvg

Den Trend hat auch Alexander Möller, Leiter Lungenheilkunde am Kinderspital Zürich, beobachtet. Eine Studie unter seiner Leitung, die im Jahr 2020 publiziert wurde, hatte ergeben, dass rund 70 Prozent der Mädchen und rund 60 Prozent der Jungen im Alter von 16 bis 17 Jahren im Kanton Zürich rauchen. Ein Grossteil davon greife zu E-Zigaretten. Aktuelle Zahlen gibt es keine, doch: «Heute sind es bestimmt noch mehr Jugendliche», sagt er.

Die Werbung in den sozialen Medien ist dabei direkt auf die Jugend gerichtet. «Wir haben Angst, dass die Folgen der Geräte verharmlost werden. Denn die Industrie proklamiert E-Zigaretten als gesündere Variante zum Rauchen», sagt er. «Wir wissen aber noch gar nicht, welche Langzeitschäden sie haben.» Was er indes weiss: Gerade Jugendliche sind suchtgefährdet. «Die meisten Suchtraucher haben etwa mit 15 Jahren mit dem Rauchen begonnen», sagt er.

Der Branchenverbandspräsident ist frustriert

Das Problem ist, dass die nikotinhaltigen Geräte in der Schweiz gesetzlich noch keiner Altersbeschränkung unterliegen. Mit Inkrafttreten des Tabakproduktegesetzes im Jahr 2024 wird sich das ändern. In den Fachgeschäften werden Minderjährige laut Puppo bereits abgewiesen, doch die Zahlen beweisen, dass sie irgendwie an ihre Geräte kommen. Ein Versuch bei verschiedenen Onlinehändlern zeigt: Ein paar Mausklicks – und die E-Zigarette ist bestellt. Altersprüfung? Gibt es keine.

Eigentlich wollten die E-Zigaretten-Shops dem Trend gar nicht folgen. «Anfangs zögerten in der Schweiz alle Fachhändler mit dem Verkauf der Einweg-E-Zigaretten», sagt Puppo. Wieso? «Weil wir ihre Probleme bereits kannten.» Nur geht der Verkauf der Geräte mit Kiosken und Tankstellen weit über E-Zigaretten-Shops hinaus.

Branchenverbandspräsident Puppo ist frustriert. Er sagt:

Die Kontrolle ist völlig aus den Händen der Fachgeschäfte gerutscht.

Dieser Kontrollverlust führe nicht nur zum unerwünschten Trend unter Minderjährigen, sondern auch zu einer Umweltsünde. «In den anderen Verkaufsstellen wird weder über die gesundheitlichen Aspekte noch über die richtige Entsorgung informiert. Nicht aus Ignoranz, sondern weil man es schlichtweg nicht weiss.»

Denn: 500 bis 800 Mal daran ziehen und der Dampfer ist leer. Dann landet das Gehäuse aus Plastik mitsamt der Batterie im Innern oft im Abfalleimer. Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich im Auftrag von Material Focus, einer gemeinnützigen Recyclingorganisation, hält fest, dass dort die Hälfte der Einweg-E-Zigaretten weggeworfen wird. Stand Juni würden im Vereinigten Königreich über 1,3 Millionen solcher Geräte pro Woche weggeworfen.

Im Abfall landet somit jedes Mal auch ein Lithium-Ionen-Akku. Laut der Website der Hersteller verfügt die beliebte «Puff Bar» über einen 350-mAh-Akku. Zum Vergleich: Das neue iPhone 14 hat einen 3279-mAh-Akku. Mit zehn «Puff Bars», die weggeschmissen werden, landet demnach die Akkukapazität für ein iPhone 14 im Müll.

In der Schweiz können keine genauen Zahlen genannt werden. Doch für Mario Puppo ist klar:

Das Volk interessiert der Umweltaspekt nicht.

Denn eigentlich müssten die Geräte recycelt werden – vom wiederaufladbaren Akku hin zum Plastik kann alles wiederverwertet werden.

Die Raucherin oder der Raucher muss nicht etwa das Gerät auseinanderschrauben: «Jede Verkaufsstelle ist dazu verpflichtet, alle Geräte wieder entgegenzunehmen», sagt Puppo. Sie würden dann an die Sammelstelle Elektroschrott versandt.

Bund will handeln

Wie dieser Missstand gelöst werden kann, ist noch nicht klar. Der Bundesrat hat Ende Oktober lediglich bekannt gegeben, dass er eine Steuer auf nikotinhaltige E-Zigaretten plant. Diese soll jedoch dem geringeren Schädlichkeitspotenzial der E-Zigaretten Rechnung tragen und deshalb tiefer sein als bei klassischen Tabakzigaretten.

Der Bundesrat schlägt zwanzig Rappen pro Milliliter Flüssigkeit bei gewöhnlichen Geräten und gar einen Franken pro Milliliter Flüssigkeit bei Einweggeräten vor – für den Jugendschutz. Eine Einweg-E-Zigarette, die heute zehn Franken kostet, würde künftig also 11.80 Franken kosten. Er rechnet mit jährlichen Mehreinnahmen von rund 13,8 Millionen Franken.

Schreiben Sie einen Kommentar