Sie sind hier: Home > Eishockey > 120. WM-Partie: Andres Ambühl holt sich gegen Kanada  den Weltrekord

120. WM-Partie: Andres Ambühl holt sich gegen Kanada  den Weltrekord

Gegen Kanada spielt Andres Ambühl seine 120. WM-Partie. Wie wurde dieser Rekord möglich? Eine Spurensuche.

In Nordamerika würde er wohl als «Heidiland-Gretzky» vermarktet. Andres Ambühl (38) ist ein echter Bergbauernbub aus dem Bündnerland. Aus dem Sertigtal bei Davos. Das dürfen wir schon als «Heidi-Land» bezeichnen. Es ist die Landschaft, die Johanna Spyri zu «Heidi», einem Klassiker der Weltliteratur, inspiriert hat.

Es geht hier nicht darum, die Wurzeln Ambühls romantisch zu verklären. Tatsächlich dürften seine Herkunft, sein geerdetes Wesen, seine Gelassenheit und sein stilles Selbstvertrauen wichtige Gründe sein, warum er ein Spieler von Weltformat geworden ist. Und auf und nicht neben dem Eis für Wirbel sorgt. 2004 stürmte der HCD-Leitwolf zum ersten Mal auf der globalen Bühne, und nun wird er gegen Kanada mit 120 WM-Partien ewiger WM-Rekordhalter aller Länder und Zeiten.

Heute macht es mehr Spass

Ambühl ist den ganzen, langen Weg von der «roten» zur «grünen» Nationalmannschaft bis hinauf in die Weltspitze mitgegangen: Rot waren einst unter Nationaltrainer Ralph Krueger bis 2009 die Spieler, die primär defensive Aufgaben hatten. Grün jene, die auch mal ein wenig nach vorne stürmen durften. 2004 waren noch fast alle rot.

Heute sind nahezu alle grün. Ambühl, der flinke, schlaue, furchtlose Dauerläufer, war bereits 2004 bei seinem WM-Debüt einer der wenigen grünen Spieler. Er erinnert sich:

«Damals mussten wir meistens die Scheibe einfach ins gegnerische Drittel schiessen. Heute dürfen wir mit dem Puck auch mal etwas anfangen. Das macht natürlich mehr Spass.»

Ein Blick auf die Karrieren seiner Kollegen im WM-Team von 2004 mag seine spielerische Langlebigkeit illustrieren: Patrick Fischer ist jetzt temporär sein Chef als Nationaltrainer, Luca Cereda amtet als Trainer in Ambri und Thierry Paterlini als Bandengeneral in Langnau. Martin Steinegger arbeitet als Sportchef in Biel und Julien Vauclair in der gleichen Position bei Ajoie. Mark Streit ist gar beim SC Bern Verwaltungsrat und mit einem siebenstelligen Aktienpaket Mitbesitzer.

Was die Rekordmarke des HCD-Captains aufwertet: Er ist nicht der Legende und des Rekordes willen für Helsinki aufgeboten worden. Wie etwa die Finnen ihren ewigen Stürmer Raimo Helminen im gleichen Alter wie Ambühl – also mit 38 – noch ein letztes Mal für die WM 2002 nominiert und zum Captain gemacht haben. Der finnische Kultstürmer musste sich damals bei seiner internationalen Abschiedsvorstellung mit zwei Assists in neun Partien begnügen. Ambühl hat hier in Helsinki schon nach vier Partien ein Tor und ein Assist auf dem Konto.

Kleine, leichte Athleten laufen länger

Ein statistischer Vergleich mit dem bisherigen ewigen Rekordhalter Udo Kiessling (119 WM-Spiele) ist nicht ganz fair: Der Deutsche war Verteidiger. Bei seiner letzten WM 1991 im Alter von bloss 36 Jahren konnte der Captain des deutschen WM-Teams von seiner Position her nicht auf Punktejagd gehen. Immerhin kam er in neun Partien zu einem Assist.

Ambühl ist in jeder Beziehung eine Ausnahmeerscheinung. Mit einer Grösse von 176 Zentimetern bestätigt er auch ein Klischee: Kleine, leichte Athleten laufen länger als grosse, schwere und kräftige Titanen. Tempo, Energie und Schlauheit sind für die sportliche Langlebigkeit besser als Wucht, Kraft und Wasserverdrängung.

Die Frage ist: Was hat Ambühl getan, um den Alterungsprozess aufzuhalten? Dazu sagte er einst: «Ich habe eigentlich nichts getan, um diesen Prozess aufzuhalten, und lebe heute nicht anders als vor zehn Jahren. Ich habe wohl das Glück einer von Natur aus robusten Verfassung und ich bin von Verletzungen weitgehend verschont geblieben.» Diese robuste Natur, diese «Heidiland-DNA» spielt bei seiner spielerischen Langlebigkeit sicherlich eine zentrale Rolle. Natürlich spürt er, dass er nicht mehr 20 ist.

Eine weitere WM für Ambühl?

«In erster Linie merke ich, dass um mich herum in der Garderobe alle jünger werden. In gewissen Bereichen merke ich aber schon, dass ich älter geworden bin. Mit zunehmendem Alter legt man beispielsweise ein grösseres Augenmerk auf die Regeneration. Nicht unbedingt wegen der Müdigkeit, sondern vor allem, um Verletzungen zu vermeiden.»

Die Statistik verrät sein Alter nicht. Er hat diese Saison die Qualifikation mit 31 Skorerpunkten abgeschlossen: Exakt gleich viele Punkte hat der «Dauerskorer» vor zehn Jahren produziert und es sind bei gleich vielen Partien (49) sogar mehr als 2008 (26). 2023 eine weitere WM für Ambühl? Es spricht nichts dagegen.

Schreiben Sie einen Kommentar